Volltext: 1914-1916 (1914-1916)

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sr dem Opfer des Lebens steht größer und schöner da 
das Opfer zu leben. Mit sublimem Stolz und ganzer 
Demut sich selbst erdulden, je mehr Widersinn und Wider 
streit in allem Lebendigen sich in den backen setzt. Das 
ideale Opfer, leben und einsam sein, ohne sich zu beugen 
und dem Leben abzusagen, reinste Rraft und höchster 
Sinn sind da, wo man das Opfer nicht ahnt, wo man 
es nicht fühlt, nicht wittert, wo es unverstanden bleibt 
und ungewürdigt, und wo es die andern nicht wollen, es nicht können, wollten 
sie es schon. Vor dem dauernden Einsatz des Lebens verschrumpft der nur 
einmalige Einsatz. Dieser ist nicht die Kostbarkeit des höchstpersönlichen noch 
die Seltenheit des geistigen Opfers des Ropfes, der alle überragt, wo er es 
dennoch zu fein scheint, da ist er in Absicht und Erfolg doch immer nur ver 
tretbar, entselbstet, ja entrechtet, wie mechanisiert. Es ist nur die Erfüllung 
einer unvernünftigen aber unentbehrlichen Pflicht, vom Rrieg begehrt. Weil 
aber des wunderbaren unverwüstliche Wurzel stets bei dem leidenschaftlich 
Empfundenen liegt, des Lebens Uebersinnlichkeit bei dem Todgeweihten, steigen 
des Lebens Imponderabilien in die gewagteste aber verzeihlichste Pyramide auf 
im Augenblick, da es abzubrechen hat. Der sein Leben opfert, will er nicht 
durch das Begrenzte, das er aufgibt, in ein Unbegrenztes aufgehen? Gjbt er 
nicht das Letzte hin, ein Ueberletztes zu ergattern? Aber es sind nur die Rranken 
im Geist, die Schwachen im Leben, die so ihre Beglaubigung außerhalb ihrer 
selbst suchen und das selbst noch im Tode. Das Opfer zu leben nach jenem 
Sinn, das Zeitliche auf seinen zeitlosen Ausdruck zu bringen, ist nicht jedem 
gegeben. Das Opfer zu leben gibt ab an das Leben, zu dessen Ermittelung 
und Verwirklichung es fein eigenes, das einzelne vergängliche Leben verbraucht. 
Das Opfer des Lebens ist die Verheißung auf dem Berge Horeb: der alle 
verfübrende Ruf, sich über das Unbegreifliche, daß man zu sterben hat, hin- 
wcgzuheben, indem man im letzten Augenblick noch sein Leben durch den höchsten 
Sinn bewertet, der dem einzelnen Leben überhaupt beigelegt werden kann, 
nämlich seine höchste Steigerung zu seinem Untergang, um die Idee des Lebens 
zu retten. Höchste Wirklichkeit liegt in dieser Entwirklichung auf dem Sterbe 
bett. In seinem Vergänglichsten so fühlt sich der Mensch als Mensch von 
geschichtlicher Gewalt. Nichts ist eigennütziger als das Opfer des Lebens, das 
durch die Hingabe des einzelnen vergänglichen Lebens eine Eroberung des 
ewigen Lebens bezweckt. 
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Es ist ein dankbares Heldentum, das Heldentum unsrer Tage, das obenan 
steht im Herzen der Menschen, schon da es hinauszieht und ausholt zum ret 
tenden Schlag, also lange bevor es in Rraft tritt und sich beweist. Es ist 
ein bequemes Heldentum, abgemessen, befristet, das mir derselben sachlichen
	        
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