lismus ist seinem Wesen nach sentimental — und unmonumental. Werdas
vor dem gemalten Naturalismus eines Liebermann nicht bemerkt, wird es
aus dem gedichteten Naturalismus eines Hauptmann (Hannele, Weber) ohne
weiteres herausfühlen.
Als sentimental erwies sich die hinter uns liegende Kunstepoche auch in
ihrer oft verspotteten Denkmalswut.
Vom Boden des impressionistischen Naturalismus aus ist es also ganz
verständlich, wenn die Übertragung des Begriffes „Organisation" auf die
Kunst als unheimlich empfunden wird. „Impression" — in diesem Worte,
wenn man es ernst genug auffaßt, steckt ja alles Erwähnte: das Intime, das
Sentimentale, und vor allem das Unorganischei Der Liebhaber des Impressionis
mus wird uns also fragen: woher nimmst du das Recht, Kunst und Organi
sation in einen Topf zu werfen? Ihm erscheint die Kunst als das freie und
flüssige Reagieren auf einen Reiz, als ein Einfängen köstlicher Eindrücke, als
etwas Schweifendes und Zigeunerhaftes.
Ich nehme das Recht aus der schönsten und kraftvollsten Zeit der deutschen
Kunst, aus der Gotik! wieso ist die deutsche Gotik organisatorisch? Reine
andere Runst ist so konsequent in ihrem Aufbau wie sie. Die kleinste Figur
einer Fiale ist an der gotischen Kathedrale gestaltet in Rücksicht auf die Idee
des ganzen Riesenwerkes, und noch der einzelnen Altarftgur, noch der zier
lichen Brunnenstatuette stecken ein paar entschlossener Apen in den Gliedern,
die eine geheime Verbindung schaffen zu den Häusern, zur Wölbung, zum Platze,
zum Raume. Diese geheimen Apen machen jedes gotische Werk zur Form.
An ihrer Festigkeit prallt jede Sentimentalität ab. Hier in der Gotik ist der
Formungswille das prius, der Rhythmus ist von allem Anfang an mächtig.
An den Schwingungen dieses Rhythmus' federt alles zurück, was nicht restlos
in die Form aufzugehen bereit ist, vor allem die „Stimmung". So ist die
Gotik der ausgesprochene Gegensatz zu jedem Impressionismus, zu aller Ein
druckskunst! Sie ist nicht die Umsetzung einer äußeren Anregung in eine Form,
die möglichst viel bewahren soll von der Stimmung der „impression", sondern
sie ist die Setzung einer selbständigen Form, die möglichst rein sein soll von
allem Assöziativen! während die naturalistisch-impressionistische Kunst stets
Außenbeziehungen hat und zur Peripherie hinzieht, steht die Gotik klar und
groß im Zentrum. Von ihrem willen erhält alles seinen wert, sie ist eine
Kunst des Ausdrucks und — was nun nicht weiter befremdlich erscheinen
kann — eine Runst geistiger Organisation! Denn was anderes ist geistige
Organisation und Organisation überhaupt, als die Fähigkeit, von einem
Zentrum, einem willen aus den Dingen ihren wert und ihren Play zu geben.
wir haben also ganz gewiß das Recht, von deutscher Kunst als von
einer Bewährung deutschen Organisationsgeistes zu sprechen, so unheimlich wie
gesagt, dieser Gedanke auch erscheint, wenn man den Impressionismus für
das Schicksal der deutschen Runst in Zeit und Ewigkeit annimmt. In unserre