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Wahrheit sagen, wie man sie weih. Pegug verlangte das nicht
etwa von seinen Freunden und Helfern, sondern es ergab sich von
selbst aus der vollkommenen Reinheit seines Wesens, der Unbe
kümmertheit seines Herzens und der Armut, ja, der herrlichen Ar
mut seiner Lebensführung. Er schrieb 1907: „Als Mitarbeiter der
Hefte verlange ich für meine Werke und Aufsätze diese ganze geistige
und zeitliche Freiheit, die ich allen unsern Mitarbeitern versichere.
Aber als Herausgeber der Hefte will ich sie nicht in meine persön
lichen Streitigkeiten hineinziehen, ni dans cet approfondissement
de mon etre religieux auquel il est evident que je procede
depuis plusieurs anndes avec une severite croissante.“ Die
Eahiers verschlossen sich dem Ungläubigen nicht, wenn der Unglaube
eine ehrliche leidenschaftliche Wahrheit war. Von der Armut aber
noch einiges.
Als ich vor etwa sieben Fahren Pegug in dem kahlen Fimmer
der nie de la Sorbonne besuchte, trug ich eine alte Ausgabe der
Fmitatio bei mir, die ich am^Quai Voltaire für sechs Sous erstanden
hatte. Und der anwesende Francois Porche sprach aus, was Pegug
dachte, als er sagte, dah allein die Armut auf Erden die wahre
Rachfolge Ehristi sei, die Armut als eine Konzeption des Uni
versums. Man muh dazu eine der schönsten und tiefsten Schriften
Pegugs lesen: Eve. Da heiht es: „Eva war ein armes Weib, das
viele Kinder begraben hatte und gezwungen war, Feuer zu machen,
wenn es kalt wurde, und gezwungen war, die Lampe anzuzünden,
um zu sehen": und dies war ihr Fall, ihre Strafe, und ist unser Fall
und unsere Strafe, dah wir gezwungen sind, immer und ewig unsere
Hauswirtschaft zu machen und sogar die Wirtschaft unserer Seele.
„Et ee n’est point d’etre de criminels de marque, des criminels
pour poetes romantiques, c’est d’etre des pecheurs et meme
de petits pecheurs." — Die Armut hat ihren göttlichen Purpur-
mantel verloren — würfelt man nicht um ihn? Sie ist heute nichts
als eine soziale Ungerechtigkeit und ein wirtschaftliches Phänomen.
Der Arme schämt sich ihrer, er verbirgt sie oder er rebelliert gegen
sie. Die Armut heiligt nicht mehr, ja sie ist nicht einmal mehr
poetisch. Der Reichtum hat sie falsch gemacht.
Der Arme Pegug schenkte seiner geliebten Erde, was er
hatte: sein Herz, seine Kunst. Run hat er ihr auch, ohne um
Rechtens zu hadern, sein Leben gegeben, dem diese Feilen nur ein
In memoriam sein sollen. Denn um Pegug ist die geistige Ge
schichte Frankreichs in den letzten zwanzig Fahren zu schreiben.
Zram Blei