Volltext: 1914-1916 (1914-1916)

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Audi Stephans 
^)ie bei Musikern und mathematischen Menschen allgemein war seine Lebens- 
gebärde nach innen gedreht. Er sog das Leben ein wie einen Kreis, der sich verengend 
,auf den Mittelpunkt zusammenzieht. Bei solcher Haltung gegenüber dem Dasein er- 
-starrt das Ethos ins Kauzische und Sonderbare. Dieser Komponist aber hatte neben 
dieser Anlage etwas körperlich Athletisches. Aus platonischen Schultern wuchs ein 
wunderbar kurzer und freier Hals und verband sie mit einem Kopf, der 
mächtig schien. Das Gesicht mit breiten weichen Konturen hatte gewaltige Augen- 
Partien, den braunen Goldglanz südlichen Teints und dunkles schweres Haar. 
iSein Nacken bog sich vor Stärke. Es war eine beherrschte Brutalität des 
Körperlichen an ihm. Dennoch umrann ihn wiederum eine Luftschicht voll glas- 
heller Distanz. So gab es zwei wesentliche Teile in seiner Menschlichkeit. Es war 
ein Losstürzen in ihm und zugleich ein Furückjammeln, Angriff und Verteidigung, 
Wildheit und große Güte. 
Er wird die bedeutendste musikalische Kraft des jungen Deutschlands 
gewesen sein. Tr fiel mit achtundzwanzig Sahren und gehörte, obwohl ganz 
isoliert, zu jener Truppe, die aus der Südwestecke her Deutschland erobern 
wird. Tr war ein tätiger Mensch, was soll ich Besseres sagen als dies. Sein 
Ethos war streng und kühl. Einsamkeit verschärfte sein Mißtrauen, seine glatte 
Ablehnung des Gesellschaftlichen, des Menschlichen im weiteren Sinne. Hinter 
aller Handlung aber stand Güte. So komplizierte sich sein Wesen aus Drang und 
Erkenntnis. Eine unheilvolle Liebe trieb ihn zu monistischen Dingen. So kam 
er zu Borngräbers „Ersten Menschen" und schuf eine gewaltige Oper. Widerspruch 
vertrug er nicht. Sein moralischer Sinn war unheimlich entwickelt. Stirnackig 
stand er vor feiner Arbeit, belauerte und bestürmte und zwang sie. Manchmal aber 
zerbrach er seine Einsamkeit und ging mit Stürmischkeit, ein dunkler junger Gott, 
unter die Menschen. Dann brauste er. Tolle Fahrten durch das Ssartal, 
schwärmerische Füge des Nachts, sie streichen in der Erinnerung vorüber. Er 
kannte kaum Ermüdung. Sein Kopf stand stark und gewaltig in dem Sein. Nach 
Stadler, dem unvergeßlichen, nach Weisgerber und Macke starb mit ihm eine große 
musikalische Begabung. Auf den Tonkünstlersesten in Danzig und Sena 
erhob sich sein starker, in engen Kreisen gebliebener Nuhm. Er kam nicht bis in 
das Volk, seine Form war schwer wie sein Menschliches. Seine große Oper 
(bei B. Schott, Mainz) wird in diesem Winter in Frankfurt aufgeführt und ist 
kaum erschienen. Er fiel im September in Galizien. Es war Dunkles an ihm, 
Gutes und Kraft zu großem Vorstoß. Er war einsam und deshalb kennen ihn wenige. 
Als ich das letztemal ihn abends sah, fuhr ich von München. Sn der Dämme-
	        
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