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Glossen un
2ulius Pflüger, Die Form-
schönheit einfacher geo
metrischer Gebilde. Bau-
fleiue ru einer wissenschaftlichen
Ästhetik. (2. B. Metzlersche
Buchhandlung, Stuttgart.)
Richt das Resultat macht diese kleine
Schrift wichtig, sondern die Laisache»
daß sie eine neue Methode wissen
schaftlicher Ästhetik sucht.
Unsere Ästhetik ist ein ungeheuerliches
Durcheinander von Philosophie» Ge
schichte» Kritik und Psgchologie, nur
nicht das, was ste sein sollte, nämlich
eine rein formale normative Wissen
schaft. Die Methode für eine solche
— noch nicht vorhandene — Wissen
schaft zu finden, sucht der Verfasser,
und nimmt die Mathematik als Grund
lage für seinen Versuch. Das ist ein
leuchtend. Beide Wissenschaften be
fassen stch mit der Form der mensch
lichen Anschauung in Raum und Zeit.
Die Mathematik bestimmt ihre Ge
setze, die Ästhetik den Wert der Au-
schauuugsformeu für unser Gefühl.
2emehr ste stch dabei von jeder Em
pirie, von jedem Eingehen auf den
2uhalt des künstlerischen Gebildes frei-
hä'lt, desto reiner erfüllt ste ihre Auf
gabe. Bisher war all nufere Ästhetik
historisch, philosophisch, psgchologisch
infiziert, oder hat sogar mit der Kritik
stch vergangen» die überhaupt keine
Wissenschaft, sondern eine ein
Können ist» und von der Ästhetik höch
stens einige formale Grundsätze brau
chen kann. Die Folge davon ist, daß in
der Ästhetik eine vollkommene Anar
chie herrscht» und sogar in einer solch
reinen Formkunst wie der Architektur,
eigentlich jeder auf seinen Sustiukt an
gewiesen ist» was daun ebensowohl zu
höchster Schönheit wie zu den unge
heuersten Scheußlichkeiten führen Kanu.
Daher ist eine wissenschaftliche Ästhetik
d Kritiken
auch praktisch brennendstes Bedürfnis.
Den ersten Ansatz ru einer solchen
stellt Pflügers Schrift dar. Welcher
Art fein Versuch ist, liest mau am
besten bei ihm selbst nach. Wie immer
mau stch daun zu ihm und ?a seinem
Ergebnis stellen mag, wünschenswert
ist jedenfalls» daß er Fortsetzet findet.
2. Becard
Hier scheint ein Anfang jener »einzig
möglichen Kunstwissenschaft" vorzu-
liegeu» von der ich im vorigen Heft
orakelte, überraschend schnelle Er-
fülluugl H. S.
Der deutsche Student im Fel
de. (Furche-Verlag, Lasset.)
Walter Hegmanu, Kriegs
gedichte und Feldpostbriefe.
(Bei Georg Müller.) Mau
fällt jetzt auf alles, was aus dem
Felde ;u uns kommt. Und nun gar
nufere lieben 2uugeo» was machen ste,
wie ist ihnen ru Sinn? Mau schlägt das
Buch auf: erste Enttäuschung. Es stad
gar kerne Briefe. Kleine herausgeristeue
Fetzen» ruweileu nur rwei Feilen. Ein
wunderliches Gefühl, als ginge mau
durch eine Porträtgalerie, wo nur
Augen gemalt stud. Und wenn es noch
Augen wäreul Lauter Nasenspitzeul
Mau gerät in die unbehagliche Stim
mung, die mau vor jeder Aphorismeu-
jammluug hat: ein Kuchen aus lauter
Gewürreu, durch den mau stch durch-
ejseu soll. Also wollen wir die Heraus
geber bitten, künftig lieber aus ihren
vielen, vielen Briefen Gaures abzu-
druckeu, damit wir wirkliche Menschen
sehen, nicht abgetrennte Glieder?
Ach lieber nicht. Denn nun kommt
die rweite Enttäuschung: es stud lauter
hochoffirielle Dankschreiben auf eine
hochoffhielle theologisch-philosophische
„Liebesgabe" unter Protektion des
Kultusministers den Studenten hin
ausgeschickt. Auf solch amtlich appro-