Volltext: 1914-1916 (1914-1916)

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Aber unserm Garten die Trauen des Nachbarhauses Lust schöpften und, sich ent 
schleiernd, ln den brennenden Bosporus sahen; da drang plötzlich aus der Lust eine 
Stimme, die wie ane der Brust eines Schwindsüchtigen kam, weil sie von der 
Balustrade Äues Gebetsturmes den weite« Raum durchdringeu mußte: inbrünstig 
neigte sich eine weiße Gestalt vor und sprach die Worte von der Welt, die schlecht 
ist» und Allah, der allein groß und ewig ist. 
Zu spät das alles, vorüber die Gemeinschaft der Lage und der Rächte. 
Aber ich» ich war zurückgeblieben und konnte mich dem Geheiß des Lebens nicht 
entziehen. Mit der neuen Sonne des Sahres erwachte ringsumher die Stadt, dieses 
Lager einer Million Menschen, zu einer einzigen, großen Begehrüchkeit, und das 
Licht, das sich über sie ergoß und sichtbar machte» wie Ulmen grünten und über de» 
engen Gasten der Handwerker schattig wurden, machte auch sichtbar, was Augen, 
Münder» die Linien aller Leiber verrieten. 
Nachmittags» wenn die Türkinnen ausgingen und es sich traf, daß sie der 
Sonne eutgegenschritteu, verloren die Schleier ihre Undurchsichtigkeit, und wer ei» 
Manu war, fing Blicke voll Glanz unter zusammeugewachseue» Augenbrauen aus. 
Zrauzösische Schuhe, seidene Strümpfe waren starker als die Verbote» die 
von den Kriegsgerichten ausgingen, and stärker als die Deportationen von tür 
kischen Trauen, die sich in Reudezvoushänseru tresteu ließen — arme Geschöpfe, 
-i< den Scheidungsbrief erhalten oder im letzten Krieg den Vater, den Bruder, 
dev Ernährer verloren hatte« und in einem Laude, das nicht immer genug Geld 
fand, um seine Gehälter zu bezahlen, bittere Rot litten. 
Abends, wenn die steilen Seiteugasteo Peras mit de« italienischen Lr- 
inueruugeu» den flachen Steinhäusern, den vergitterten kleinen Balkönen ins 
Mittelalter zurückzusinken schienen und mau um eine düstere Ecke die Meuchel 
mörder Veronas auftauchen und einen raschen Stahl unter langem Mantel 
aufblitzen zu sehen versucht war, strichen Trauen umher, lockten und schritten über 
Treppen in die Hausgäuge des Hafenviertels voran. 2u Salata hallten ganze 
Straßenzöge von den Grammophonen der öffentlichen Häuser, in denen der Ab 
schaum der Dirnen der halben Welt auf Matrose» und Lastttäger wartete. 
Ls war mörderisch, den Gedanken au Rudi mit dem au diese Welt zu ver 
binden, aber ich war nicht da, um z» lügen und die Augen zu verschließen. Bo» 
der zärtlichen Trauer um sie führte Schrttt für Schritt ein Weg hinein in die 
Welt» in der ich schon einmal zu jener Zeit gewellt hatte, als ich durch die KÜvike» 
»nd Srreuhänser gewandert war. 
Ost bei Gängen durch die schwarzwogende Hauptstraße ergab es sich, daß 
ans einer Rebengaste» die oben von einer griechischen Kapelle abgeschlosten wurde»
	        
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