Volltext: 1914-1916 (1914-1916)

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loser träumen. Wer heute hat die 
Reinheit dieser Landschaft mit den 
Kindern? Wie aus einem Tempel 
gestohlen hängt das Bild zwischen 
all den andern. Rur Runge und 
zwei alte Landschaften von Thoma 
Pud fähig, diesen Frieden auszu 
halten; alles andere fängt an zu 
schreien. 
Reben den beiden älteren Thomas 
hängt eine neue Landschaft von ihm. 
Auch sehr friedlich. Aber es ist der 
Schlaf eines alten Mannes» der nie 
mehr recht aufwacht, den mau auch nicht 
mehr wecken mag. Die Leideuschaft- 
weckende Leidenschaft des schlafenden 
Säuglings fehlt. Smmerhiu bietet 
Thoma nicht das traurige Bild, das 
wir von beinahe allen anderen deutschen 
Rlalern gewohnt stnd, die es scheinbar 
nicht abwarten können, älter zu 
werden als ihre Bilder. 
Habermauu war mal ein Maler. 
Unter den Linden steht in einem kleinen 
Laden ein frühes Zraueuporträt von 
chm. Schön und beinahe rührend. Hier 
hängen zwei große Leinwände voll 
Farbe, die feinen Rameu, sonst aber kaum 
etwas von ihm tragen. Träbner 
hängt für stch allein. Tin ähnliches» 
wenn auch weniger trauriges Beispiel. 
Aber man weiß das ja längst. Rur 
wußte man bisher noch nicht so deut 
lich, daß seine Iran (Alice) seine 
(vielleicht auch ihre) Tradition besser 
und treuer gepflegt hat als er. 
Einige Landschaften von ihm zeigen 
aber doch» welch eine Hand und 
welch ein Herz hier alt geworden 
ist. Lieber manu ist nicht so gut 
vertreten, wie mau es von ihm wünschen 
möchte. Zwischen kleinen, alten 
Bildern hängt ein neues Selbstpor- 
trät, das nur im Format größer ist 
als die andern, nicht was den Geist 
angeht. Schlecht ist es nicht. Aber 
mußte wirklich Lieberman« bemüht 
werden, um das zu malen? Konnten 
das nicht andere? 
Slevogt konnte es nicht. Tr kann 
nicht einmal mehr seine eigenen Bilder 
malen. Und hat doch jahrelang (zu 
unser aller Bergungen) nichts anderes 
getan. (So scharf gegen Slevogt? 
Richt gegen Slevogt, vielmehr gegen 
Nachläufer, die jeden Slevogt für eine« 
Slevogt halten, auch wenn er gar kein 
Slevogt ist.) 
Das ist die alte Garde. Sie stirbt» 
aber ste ergibt stch nicht. 
Mehr Freude hat mau (diesmal) am 
„Mittelalter". Gs bewahrt die Tra 
dition (die es gefunden) ängstlicher als 
die, die ste verloren. 
Da ist T. A. Weiß. Solange er 
sich nicht zuviel Mähe gibt, zu viel 
Sorgen macht und zuviel Absicht hat — 
macht er Bilder» die nicht nur gut ge 
malt» sondern (von einer ein wenig trau 
rigen Seele) beseelt stnd. Tr hat von 
der saßen Melancholie Plcassos mehr 
als mancher, der stch dem Geist des 
Spaniers nahe glaubt, wenn er „Ku 
bismus" sagt — eine Literatenerfin- 
duug. Es stnd dies vielleicht die 
(hier hängen drei halbe) poetischsten 
Bilder, die augenblicklich in Deutsch 
land gemalt werden. — Aber daun geht 
er hin und malt nach Prinzipien. 
Gin „Bild, wie es sein soll", ein 
Musterbild. 2e musterhafter es wird, 
desto schlechter wird es uatärlich. Denn 
wie ein Musterknabe nur eine ver 
kümmerte Seele haben kaun, so auch 
ein Musterbild. Tine Vorlage für 
brave Schäler. Schädel Orlik 
macht überhaupt nur Vorlagen für 
seine Schäler. „Frühling, Sommer» 
Herbst und Winter, Musterbilder 
fär Vorgeschrittene". Vorgeschrittene?
	        
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