Volltext: 1914-1916 (1914-1916)

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Wer aber selbst als sein Gedicht auftritt, hat nur sich darzubringen. Er 
Kanu sich weder mit der Farbe anderer Menschen oder Musen aufschmiukeu noch 
sich iu Geist uud Körper zerteilen. Er kaun sich nicht vour 1‘art vergeistigen, 
sondern greift mit der Gaurheil seiner Kuustgefialt iu die Gaurheit der Menschen. 
Alles, was er noch anderes als Form ist, wird der bloß gekonnten Dichtung 
fehlen, und der nur gedruckten ähnlich wie den Noten ein Orchester. 
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Rur das Papier mit Werken beschatten» wie der Lgpus jenes Schrift 
stellers aus dem vorigen Sahrhuudert, oder wie jener andere nicht einmal Buch 
staben ans Licht bringen wollen: das würde nufere nach Ekstasen hungernde Welt 
io völlige Armut starren. Auf den religiösen Ekstatiker kaun sie nicht rechnen» seine 
Vision ist für keinen anderen als ihn selbst bestimmt; sie ist das Unsagbare, die Ein 
heit mit Gott. 
Der Dichter dagegen breitet sich iu die Einheit mit Menschen aus. Das 
bewußtlose Schweigen des Heiligen — und seine Sukonsequeuz, dies Schweigen 
doch rn brechen uud seine Visionen mitruteileu, wie ins Blaue hinein, — beides 
steht dem Dichter fern. Er stammelt nicht wie jener, der iu beriehuugslofer 
Steilheit nur Gott denkt uud vollkommen wäre» wenn er nichts, nicht einmal die 
Sprache, außer sich uud Sott empfände. Sondern seine Vollkommenheit ist die 
Äußerung, die möglichst ganze. 
Er will wirken, — nicht auf den Glauben der anderen (der nie rn verändern 
ist); aber er will bewirken, daß jeder glaubt. 
Aus seiner Kunst soll eine Atmosphäre hervorschreiteu, iu der nichts 
Unerregtes, Uugöttliches mehr vorkommen kann. Sie drängt gegen die chaos-alte 
Atmosphäre an» iu der die Mitmenschen noch als gedankenlose Eiere Legen; oder rn 
Schollen aus Geld gefrieren; oder als stumpfe Soldaten einander zerschmettern. 3u 
ihr, bis ins letzte durchsichtig, beginnt das Zeitalter der Entdeckungen aller Sterne. 
Die Schllsie» die alles beim alten lasten, sollen Sbertöneude Stimmen 
rn hören bekommen. Die Waffen, die alles beim alten lasten» sollen, wie von 
einem gewaltigen Magneten, von der Gestalt des ganz sichtbaren Künstlers angezogen 
«ud den chaotischen Händen eutristeu werden. Das Hellste uud Friedlichste muß 
sich als das Kämpferische, das es ist» beweisen: die Liebe des Weibes, die 
Freundschaft des Mannes und, die beides uud alles iu sich vereint, die Kraft 
des Künstlers. Alfred Wolfenstein
	        
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