Volltext: 1914-1916 (1914-1916)

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einem Schrei und einem hilflosen 
Gestammel gekrönt (aber wahr 
haftig gekröntl) wird, — davon weiß 
Herr Stahl natürlich nichts. Zur ihn 
gibt es nur die eine Frage: Was malt 
der Manu? (Der fröhliche Waren: 
„Wo wohnt das Modell?") Sein 
gavrer Autiuegerfeldrvg richtet sich 
nicht gegen dev Reger als Lehrer, als 
Borbild, nicht gegen den Reger als be 
neideten, begnadeteren (weil einfacheren) 
Bruder und Kameraden. (Daß fowas 
möglich ist, davon weiß er nichts.) Er 
kämpft nur gegen den Reger als Mo 
dell. Richt Reger foll mau malen, 
fagt Herr Stahl» fouderu edle Griecheu- 
Leiber. Nicht Reger, sondern Euro 
päer. Richt Reger, sondern — ihn, 
Herrn Stahl. 
Daß einige Maler nicht mehr „Trin 
kende Mönche", „Reiter am Strand" 
und heroische (oder berliner) Land 
schaften, fouderu Sudseeiuselu und 
braune Menschen malen, das nennt 
dieser Kritiker „Aiggerei". Diese 
harmlose Tatsache (die nichts dokumen 
tiert, als etwas kindllche Sehnsucht 
«ach Romantik und Exotik) bietet ihm 
Gelegenheit zu drei giftgeschwolleuen 
Spalten schlechter Prosa. 
Rach dieser Methode könnte er Manet 
den „Gemnserich", Goga einen Rot- 
züchter und Rubens etwa den „Popo 
peter" nennen. Rach dieser Methode 
ist das Stillebeu das bessere, auf dem 
die teureren und schöneren Spargel, auf 
dem die dicksten Kartoffeln sind. 
Aach solchen Gestchtspuukteu stellt sich 
diesem Mann die Kunst und ihre Ge 
schichte dar. Aach der tief-religiösen 
Frage, die den Wert des Kunstwerkes 
entscheidet: „Wer stand Modell? 
Braun oder Blond?" 
Früher nahm mau „schöne" Griechen, 
heute nimmt man manchmal Reger. 
Das ist für ihn der Unterschied. Daß 
nicht die Modelle, sondern die Maler 
von heute anders sind und anderes 
glauben, anderes lieben und anderes 
wollen als „Milo", Tizian oder 
Leubach» das ist ihm nicht von Wichtig 
keit. Er steht (wie der schon zitierte 
Mäzeb) mit Gram im Herzen nur das 
eine, daß in den einst so hubscheu 
Ateliers Modelle stehen, die ihm nicht 
liegen. Das ist komisch und erinnert 
lebhaft au Bouvard und Pvcnchet. 
Daß aber dieser Bouvard au der 
größten Berliner Zeitung als Kritiker 
angestellt ist — ist das auch noch 
komisch? Rein — das ist traurig. 
H. Siemseu 
Albert Steiurück. Mau kann 
sagen, er blase ein schlechtes Stuck auf 
wie eine Haut, ein schweres schleudre 
er mit dem Genick, wie ein Zirkus- 
athlet, in die Luft und fange es klat 
schend, eine mestiugne Kugel, wieder mit 
dem Racken. Daun spritzt er's aufs 
neue hoch. Es gibt ein Rucken der 
Achseln, die Brust wölbt stch wachsend 
heraus. Gurgelnd strotzen Kraftströme 
in das Parkett. Mau kann sagen, er 
ordne stch nicht ein, sondern er sei 
schöpferisch und ordne seinen Sinn in 
die Dinge. 
Sein Auge ist zu elementar, als daß es 
Durchschlagkraft besäße. Ein opaliges 
Gewölbe quillt es stumpf aus der 
Höhle, aber plötzlich hat alles Bezie 
hung nur zu ihm. Es fangt die Hand 
lung, die Bewegung, die Luft ein, 
immer strudelnder bewegt stch alles in 
seine Macht hinein, mau könnte sagen, 
es sei ein Hölleufiurz, aber da zieht es 
stch wieder ein unter eine Zuckung der 
Braue und die Erstarrung und Ber- 
glasung löst stch bunt.
	        
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