Volltext: 1914-1916 (1914-1916)

Glossen und Kritiken 
Klabuud, Moreau. Roman 
eines Soldaten. Erich Reiß, 
Verlag, Berlin 1916. „Roman 
eines schwülen Soldaten" wäre rich 
tiger. Und zwar ist das Schwüle das 
Beste. Am Soldaten sowohl wie am 
Roman. — 2u Salambo gibt's ein Re 
giment, ein schwüles Regiment von 
alten und jungen Söldnern. Ls ist das 
tapserste Regiment von allen. Des 
halb so tapser, weil seine Soldaten 
schwüle Soldaten sind und sich lieben 
untereinander. Von dieser Art ist der 
Soldat Moreau. Und diese schwüle 
(schwache) Seite seines Genius ist die» 
die Klabuud am besten gelingt. Zwei, 
drei Liebesszeneu mit dem „Knaben 
Lhristoph" und das Erscheinen des 
eleganten jungen Königs sind die 
besten Stellen des Buches. — Leiderist 
die Schwülheit nur geschildert, weder 
psgcho- noch sonstwie logisch ausge 
schlachtet — nicht einmal im Verlaus 
der gottgewollten Gegnerschaft 
Mischen dem körperlich und seelisch 
feinen (tgpisch schwül), „genialen" 
General und dem popeligen Genie, 
Bouaparte mit Aameu, das zwar 
geistig (Kunststück!) sein ist, aber mit 
dem echten Dreck der echten Genies in 
Augen, Ohren, Mund und Aase ver 
ächtlich, dick und häßlich herumläuft, 
uuliebeuswördig (und tgpisch un- 
schwül). — Rein, die Schwülheit wird 
nur geschildert. Aber liebenswert 
geschildert. Und am liebenswertesten 
im „Knaben Lhristoph". H. L. 
Johannes A. Becher, Au 
Europa. Reue Gedichte. 
Leipzig, Kurt Wolff Ver 
lag 1916. Gedichte nicht nur sehr 
verschiedenen Wertes» auch scheinbar 
sehr verschiedenen Ursprungs. Ge 
dichte, die von einem „als geheilt 
entlassenen" Hölderlin sein könnte«, 
Gedichte, die von einem deutsch- 
sächstscheu W. Withmauu» von einem 
deutsch-freundlichen Eh. Dänbler, von 
einem lgrisch-eiugeölteu Mariuetti» 
Gedichte, die von Becher sein 
könnten — und endlich Gedichte, 
die von Becher sind. Die letzteren 
wären die wichtigsten — leider ver 
stehe ich ste nicht. 2ch kaun also 
dieses Buch kaum richtig — ich kann 
nur versuchen, es gerecht zu beurteilen. 
Mir scheinen am schönsten gewisse 
Verse von einer burschikos-tuendeu 
Sentimentalität» Freuudschaftsgedichte: 
„Sterbetag", „An Me Freunde", 
„Au die Freude". Diese stud nicht 
nur begeistert, sondern wahrscheinlich 
(ich Kanu es mir denken) auch be 
geisternd. — 2u vielen anderen sind 
schöne Sätze. Zum Beispiel: „Wirr 
von Bordellen ein Ufer schleift längs 
der schneeigen Stirn." Aber gleich da 
hinter: „Enorm in der Rotunde chr 
mit Huren schiebt! Klotz der Schädel 
brennt. Aufgestemmt von Lehrer 
Hieb. (. . . 2hr trillernd einst Zrüh- 
liugsau ob Gefängnisse zerschmetternder 
Haft...)" Das verstehe ich nicht 
und finde es auch nicht schön. Entschei 
dende Frage: Liegt es au mir? Oder 
liegt es am Dichter? — 2ch wünschte: 
es läge au mir. 2ch fürchte: es liegt au 
ihm. Einstweilen bleibt mir nichts 
übrig als auf die Erfüllung des an 
fangs ausgegebenen Programms zu 
warten. „Bald werden stch die 
Sturzwellen meiner Sätze zu einer un 
erhörten Figur verfügen," sagt er. 
Hoffentlich! 2ch muß mich mit der 
prophetischen Absicht begnügen. Einst 
weilen schünt ste — die unzweifelhaft 
reine und große — mir reiner und 
größer zu sein als Kraft und Könne«. 
H. S. 
Herausgeber: Otto Haas-Hege, Berlin, Wilhelmstraße 69 
Verantwortlicher Schriftleiter: Haus Siemfeu, Berlin, Ansbacher Straße ZI 
Für unverlangte Einsendungen keine Gewähr 
2n Österreich für die Redaktion verantwortlich Hugo Heller, Wien,!, Bauernmarkt Z 
Druck von 8. ^ermann in Berlin 
240
	        
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