S2
Bekenntnis — nicht „Aeußerung" soll während einer Zeit allzuvieler Aeußerung
in diesen Blättern ein Archiv finden, wie in den heimlich kostbaren Truhen der
chinesischen Geschichtsschreiber, die dann von späterer Generation aufgetan
werden. So könnte es Mißverständnis scheinen, wiederum von objektivem
Geschehen statt von innerem Erleben zu sprechen, wenn es nicht ein höheres
Bekenntnis gäbe als das seelische — das kosmische Bekenntnis, darin das Fernste
in heiße Nähe gewandelt und das Selbst für einen unendlichen Augenblick, jeder
Bürgerlichkeit ledig, sich von der eifekältesten Objektivität nicht zu scheiden vermag.
So ist kein Wort hier „politisch" gemeint.
Der Nüchterne — also der vom vordersten Vordergrund in Wahrheit
völlig Betrunkene — sieht diesen Krieg: eine Störung von sieben Monaten,
nach der „Handel und Wandel wieder blüht", durch Ethik veredelte Störung.
Aber das tausendjährige Reich des Krieges schaut, wem der Vordergrunds
Lärm so klein ward, daß er sich da vorn freilich wie ein Narr gebaren mag.
Der „Nüchterne" fragt nur: wer hat Schuld? wer fing an? was nehmen wir
uns? wie lange dauert es? Das sind dieselben Leute, die vor dem Werk des
Künstlers fragen: wie hat er das gemacht? Ja das ist ja gleich, wie der Krieg
gemacht ist, ob vom Herrgott selbst oder von den Großbanken — wer aber
recht närrisch lebt im Kausalen, fest und recht aber steht in den ewigen Realitäten,
der betet jeden Morgen in der Frühe: Ungeheuer ist der Krieg auf Erden.
Und zerreißt so das Rausalfädchcn. wie wenig „Ursache und Wirkung" —
wieviel Knochenmark ist in diesem Krieg! Ein anderes wäre die tief occulte
Ursache. So wie man berichtet, daß die Titanic zuwenigst vom Eisberg in die
Tiefe gezogen ist, aber von einem verruchten Diamanten an Bord in des reichen
Amerikaners Besitz, ein Stein aus Marie Antoinettes Geschmeide, der seit Jahr
hunderten jedem Besitzer den Tod brachte. Das ist causa höherer Ordnung,
die geheime Zauberzercmonie über dem Krieg.
Also ist der Krieg nicht ein noch so starkes Etwas, das unter uns trat,
alles greifbare Etwas — daß Männer sich töten, Häuser brennen — das ist
noch nicht Herr Krieg selbst. Auch das ist noch brüllender Vordergrund, ja,
es ist ein ganz anderes noch, es ist das apokalyptische Zeichen, durch das
sich das tausendjährige Reich des Krieges ankündigt. Es ist der erste Posaunen
stoß, der die Mauern in Schutt gelegt hat, die wir zum Schutz um uns und
Dinge gestellt haben, so daß wir nun schutzlos stehen, was selbstverständlich
war, steht nun in Frage, mein Bett ist nicht mehr selbstverständlich, nicht
meine Bekenntnisse, meine Tasse, die ich zum Trinken brauche, und meine Taten,
alles muß Rede stehen. Alle Kreaturen zwingt es vor den letzten Thron, wo
zwischen Tod und Leben ewig entschieden wird — und das ist der Krieg
selbst. Nicht sieben Monate Leiden und Pflicht und dann: Fett, pruyle um
so besser, sondern ewige Unsicherheit, Schöpfernot, der edle Urständ. In
seinem deutschesten, tief faustischem Werk, in dem Blatt: „Ritter, Tod und
Teufel", hat Dürer dies gestaltet. Den, der den weg macht, — durch die