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hören. Ich finde es zu klein, zu unbedeutend, zu oberflächlich; ich finde die Bezich
tigungen zu durchsichtig, ihre Zwecke zu leicht enthüllbar; ich finde, daß die Wahr
heit weile hat, und daß wir uns um ihren Sieg nicht zu sorgen brauchen.
Muß es immer wieder gesagt werden, daß die Existenz eines großen Volkes
von höherem Belang ist als die vorübergehende Ruhestörung, die ein kleines
Land durch den Durchzug einer Armee erleidet? Und daß das Argument,
welches diesen der dringendsten Not abgepreßten Entschluß zum Vorwand einer
Rriegserklärung nahm, in seiner Fadenscheinigkeit längst aufgedeckt ist? Und
daß jenes Volk irregeführt wurde, durch Phrasen zur Wut gestachelt und in
feiner glühenden Tobsucht auch den Gegner von Ingrimm zur Raserei trieb?
Lesen Sie doch den Bericht eines unserer Sanitätssoldaten über die Eroberung
von Lüttich; die XXtut Rundschau hat ihn gebracht. Ich versichere Ihnen, nichts
kann erschütternder sein als die lapidare und einfache Sprache dieser Erzählung,
nichts überzeugender und gräßlicher, eine Bestie könnte nicht unempfindlich da
bei bleiben.
Und muß es immer wieder gesagt werden, daß Deutschland das Opfer
einer planvollen Verschwörung war; liegt es nicht klar zutage? wird es dort
nicht genugsam durch einen Wortreichtum erwiesen, der sich stets einstellt, wo
ein Unrecht bemäntelt und ein Romplott in eine ritterliche Affaire verwandelt
werden soll? Ist es meines Amts, zu sagen, daß Rathedralen keine Festungen
sind und daß, wenn man sie dazu macht, sie als solche traktiert werden müssen?
Oder wird von einem gebildeten Armeekorps verlangt, daß es sich von einem
durch Alter und Runst ehrwürdigen Rirchturm herab zusammenschießen lassen
soll? Es wurden schon ungewöhnliche Forderungen an deutsche Langmut gestellt,
diese scheint mir eine der ungewöhnlichsten.
Ich habe selbst im deutschen Heer gedient und kenne die Zucht, die es vom
ersten bis zum letzten Mann beseelt. Ohne Zweifel ist jeder Einzelne seiner
besonderen Menschenschwäche unterworfen, und es kann mir nicht einfallen, sie
für eine Schar von Cherubim auszugeben; desungeachtet gibt es keine andre
Organisation, die das Individuum so unbedingt einem sinnvollen Ganzen ein
fügt, es als Glied des Ganzen so gehorsam und verläßlich macht. Generationen
sind in dieser Disziplin aufgewachsen, sie ist dem Volke in Fleisch und Blut
übergegangen. Und nun sollen wir plötzlich eine Nation von Raubmördern und
Tempelschändern sein? Und was für Männer sind es, die sich zu solchen An
klagen bemüßigt sehen? Männer, denen wir mit freimütiger und gastlicher
Liebe begegnet, die zu bewundern und zu verstehen wir nie müde geworden
sind und die bei uns eine Zuflucht gefunden haben, wenn in der Heimat Miß
kennung und Gleichgültigkeit ihrer wartete. Eher noch ließ der Deutsche den