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galt, plötzlich erklärte, Kunst sei gar nicht das, was man 
bisher dafür gehalten habe. Einen Baum mit Blättern und 
Rinde, mit Zephyr und Vögelin nachzubilden, könne ein 
photographischer Apparat auch, hier handele es sich aber 
um die Idee des Baumes, um den Baum als transcendentes 
Ereignis. Eine ungeheure Tust und Wollust nach den Ab 
gründen der Seele hatte uns damals erfaßt; wir wollten 
unter allen Umständen eine neue Schönheit, wenn nicht 
überhaupt Schönheit schon ein kompromittierter Begriff 
war. Was heißt Schönheit? Schönheit war eine Art Wohl 
gefallen an der Harmonie, ein gefälliger Rhythmus, eine be 
ruhigende Angelegenheit. Wir waren uns damals schon 
darüber klar, daß der Bourgeois sich Schönheit kaufte, 
um sich eine Beruhigung, eine Calmierang zu verschaffen 
und daß alle jenen schönen und hohen Ideen, Ideen der 
Menschlichkeit, der Güte und hiebe nichts anderes waren 
als Dependencen einer gefräßigen seßhaften Sinnesart, 
die ihre klassische Kunst haben wollte wie sie ihren Himmel 
und die Vergeltung der irdischen Taten nach dem Tode 
hatte. Die Schönheit in altem Sinne blieb ein tausendmal 
umgedrehtes, tausendmal ausgekochtes Moralphilisterium 
und wir waren eben Menschen, die sich die Objektivität 
zutrauten, ihre eigenen Teistungen zu betrachten, sich unter 
Umständen aus sich selbst herauszustellen und unter Um 
ständen die Kunst als eine Angelegenheit schwacher Nerven 
und Muskeln denen zu überlassen, denen sie zukam, den 
Künstlern, d. h. den Prostituierten einer korrupten Bour 
geoisie. So komisch das klingt, wir hatten alle Nietzsche 
gelesen, auch die Ausländer, vor allem aber Ball, dessen 
ganzes Eebensproblem sich zwischen der brutalen Naivität 
des Nietzscheschen Idealmenschen und einer katholisch-senti 
mentalen Moraltheologie, der er durch die Tat immer zu 
entgehen suchte — abspielt. Er ist dieser Moraltheologie 
dann in neuerer Zeit ganz verfallen, scheint seine alten 
Energien, zum großen Schmerz seiner Freunde, auf immer 
verloren zu haben und gibt sich sogar dazu her, auf dem 
längst verlassenen Schlachtfeld einer bürgerlichen Demo 
kratie die Franzosen (deren Dummheit kaum zu überschätzen
	        
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