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mus sei: ich weiß es nicht. Dadaismus ist alles. Dadaismus 
ist alles; vornehmlich aber Radau. Radau in allen Tonarten.' 
Richard Huelsenbeck verlas eine große programmatische 
Proklamation.“ — Das tat ich allerdings und ich habe 
schon damals sehr deutlich auseinandergesetzt, was der 
Dadaismus in Deutschland nur sein konnte: die relativistische, 
antibourgeois-kapitalistische, aktivistische Weltanschauung 
politisch und diplomatisch denkender Köpfe, ein Manifest 
der Unruhe und der Energie, der die Kunst nur ein ganz 
kleiner Ausschnitt des Weltbildes ist und die sich gegen die 
Kunst als solche immer richten muß, so lange sie die be 
zahlte Leistung einer kompakten Bürgerklasse ist. Wie. 
sich die Kerle .gebärden, die zu uns kommen, um gegen einen 
Eintrittspreis von fünf Mark Geist und Gemüt zu schlucken, 
wird sehr gut durch eine Kritik illustriert, die wir am 19. 
Januar 1920 bei einem Vortrag in Dresden erhielten. Ein 
Herr, der den gemütlichen Namen Friedrich Kummer trägt, 
schreibt folgendermaßen: 
Der gestrige Dadaistenabend. 
Noch gellen und dröhnen die Ohren von dem schnöde 
sten Lärm, der je in Dresden an kunstgeweihter Stätte 
vor einem gebildeten Publikum gehört wurde. Ekel, 
stummer, würgender Ekel war der Eindruck: Ekel vor der 
kalten Geschäftsmache der Dadaisten, die Geld nehmen 
für eine geistige Marktschreierei und Prostitution; Ekel 
vor dem Teil des Publikums, der sich benahm wie der 
Vorstadtpöbel, gröhlte, brüllte, schnarrte, tutete, trillerte, 
pfiff, Zigaretten anbrannte, mit Aepfeln warf, mit heiserer 
Kehle bis zur Bewußtlosigkeit schrie, lachend auf Stühle 
kletterte, den Saal umsäumte, als gelte es hier einer 
Gladiatorenschlächterei zuzusehen, jede Auswirkung der 
Dadaisten unmöglich machte, das Podium erklomm und 
unsinnig raufte, sodaß ein Opernsänger, der Ruhe stiften 
wollte, von der Rampe bis ins Publikum flog, indessen 
sich menschliche Bestien mit geschwungenen Stöcken 
auf die Uebeltäter stürzten und sie bis in die krachenden 
Stuhlreihen warfen. Ehrliches und tiefes Mitleid gebührt
	        
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