Volltext: Briefe eines Toten

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Man möchte es geradezu ein Lebensbedürfnis 
der ganzen Architektenschaft, unserer ganzen Kultur 
heissen, — denn die Architektur steht einmal an ihrer 
Spitze, — gegen solche Preisgerichte schärfste Front 
zu machen. So lange dagegen Front zu machen, 
bis unsere Kultur so weit vorgeschritten, dass wir 
Konkurrenzen und Preisgerichte überhaupt entbehren 
können und der Bauherr weiss, was er für Pflichten 
hat, wenn er zum Baukünstler geht, der Baukünstler 
aber Architekt ist. 
am 22. Februar 1905. 
Architekt Johannes Baader, Dresden. 
Zug 51, Berlin, Magdeburg, 22. Februar 1905. 
Sehr geehrter Herr Harden! 
Es krampft mir das Herz zusammen. Jeden Tag 
dreimal; aber ich klage nicht. 
Gott, ich bin ein junger Kerl, und meines Ge 
schickes ureigenster Schmied. Wem sollte ich meinen 
Mangel an Beweglichkeit sonst auch zuschreiben ? Die 
sind ebensowenig dran schuld. Ich meine: „allzeit 
verfügbare“, sozusagen „anknipsbare“ Beweglichkeit. 
Mein Wasser, wenn es fliesst, ist wohl Nektar; 
aber man weiss ja nicht wie : Nektar: schmeckt; und 
es ist langweilig, auf Ungewohntes zu warten. Zudem 
braucht auch der Nektar Zeit: zum Reifen. 
Ich wundere mich, dass die paar geistvollen Ver- 
steher des Kunstwerdens nicht bis ans Aeusserste ihrer 
Konsequenzen gehen und die Prostitution des modernen 
Künstlertums notorisch machen. Ehe, und Leidenschaft, 
ist anders; wo das Heilige mit Scheu gesucht wird. 
Auch dort liegt Geldwert in der einen Schale. Aber 
er wird nicht gegeben, sondern er gehört.
	        
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