des Jahrhunderts, unter kühlem, nordischem Einfluß, den Kreis der Puristen und
Nazarener beherbergt hatte, so entstand nun dort die Gruppe «In arte libertas»,
welche neopuristische Ziele mit einer ästhetisierenden Doktrin auf literarischer Basıs
verband (G. Cellini, De Carolis, Sartorio und, als Vertreter der Literatur, D’An-
nunzio). Ihr entgegengesetzt ist die herbe, objektive Darstellungsweise Antonio
Mancinis.
Im Piemont ist Fontanesi (*) der begabteste eklektische Meister. In dieser Region
machen sich schweizerische (Calame), französische (Corot, Troyon) und englische
Einflüsse bemerkbar. Dieser Gruppe gehören ausgezeichnete Maler wie M. Cal-
derini, Delleani und Avondo an.
Während in Neapel und Florenz die Namen «Posillipisti» und «Macchiaioli» le-
diglich die Reform der Malerei bezeichnen, umfaßt in Mailand der Begriff der
«Scapigliatura» eine viel weitere Kreise ziehende Bewegung des Protestes und
der Auflehnung, der sich gleicherweise Literaten, Dichter, Maler, Bildhauer an-
schlossen, manche wohl aus Opposition gegen den herrschenden Geschmack und
die Dekadenz des Romantizismus, andere, weil sie die Unabhängigkeit der Kunst,
die Echtheit ihrer Ausdrucksformen, einen unmittelbaren Kontakt mit dem Leben
erstrebten. Carducci reagierte mit seinem Humanismus und seinem Klassizismus.
Die anderen aber antworteten auf die «Ordnung» des «moderatume», der Mit-
telmäßigkeit, welche das Andenken an die heroische Zeit des Risorgimento zu er-
sticken drohte, mit dem Irregulären, dem Impuls des Gefühls, mit dem sie sich
außerhalb der Gesetze und ihnen entgegen stellten. Den «Perrücken» setzten sie die
«Scapigliatura» (die Zerzausten) entgegen. Es war eine ins Italienische übertragene
Murgersche Bohème, welche, die unruhige «Macht der Persönlichkeit» übertreibend,
schließlich zu einer Lebensform wurde. Trotz aller äußerlichen Ausgelassenheit
und Dreistigkeit litt sie an Weltschmerz und an innerer Zwiespältigkeit, die tief-
greifend genug waren, um manche dieser Bohemiens einem unüberlegten ‚und
tragischen Ende zuzuführen. Als geistigen Vater der Bewegung kann man viel-
leicht den fruchtbaren und originellen Schriftsteller Giuseppe Rovani bezeichnen.
Ihm folgten Trachetti und Camerana, die durch Selbstmord endeten, dann Arrigo
Boito, Carlo Pisani; Dossi, Farina, Emilio Praga (*). Als Maler gehören diesem
Kreis Piccio und Faruffini an, dann Cremona, Ranzoni und Grandi, die in
ihren Bildern Empfindsamkeit und Sinnlichkeit vereinigten, ferner der eigenartige
Conconi, Tallone, Gola und Bazzaro (*) und Previati (*) mit seinen frühen Werken,
In der Lombardei entstand auch — als äußerste Konsequenz des Impressionismus —
eine weitere Reform. die den Anspruch erhob, mehr als nur eine technische Neue-
rung zu sein: der Divisionismus. Er war das Ergebnis einer spekulativen Natur-
beobachtung und nahm den Charakter eines pseudowissenschaftlichen Empirismus
an, der sich zum puren Technizismus entwickelte und als solcher mit Kunst nichts
mehr zu tun hatte. Manchmal wurde er zur Manier. Grubicy war sein Initiant,
Previati bekehrte sich zu ihm und setzte sich auch als Theoretiker und Verfasser
von Abhandlungen dafür ein. Die Lombarden Pellizza, Morbelli und Fornara
gingen mit wehenden Fahnen zu ihm über, ebenso Nomellini (*). der von den
«Macchiaioli» herkam. Sie alle aber überragte weit, die divisionistische Malweise
zum Ausdruck seiner hohen menschlichen und künstlerischen Qualitäten wählend,
Giovanni Segantini mit seiner Mystik des Lichtes und seiner gelassenen und idyl-