Volltext: Jahresbericht 1940 (1940)

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Jahresbericht 1940 der Zürcher Kunstgesellechaft 
C 
Tafel III Henri Rousseau, 1844—1910 
Bildnis Pierre Loti 
Oel auf Leinwand 50,5X 61 cm, bez.: H. Rousseau 
Der nicht bedeckte Himmel ist licht- bis sattblau, das Gewölk eisengrau, das Laub- 
werk grüneilbern, die Stämme schwarzgrau, Kopfbedeckung und Westenausschnitt mild 
tiefrot, das Gesicht matt weiß-gelblich bis grau, Ohr und Hand rosa, im Gesicht Schnurr- 
bart und Brauenbogen wie die Haarsträhnen pechschwarz, Kragen, Zigarette und Manschette 
schneeweiß, das Kleid sattschwarz, die Katze grauschwarz und hellbraun geringelt, das 
Taburet stumpf rot, die Häuser der Landschaft schiefergrau, rötlich- und grünlichgrau, 
relblich. 
Im Vorjahr hat das Kunsthaus das liebliche Frühlingsbild des Künstlers «Dans 
l’attente» erworben, mit der rostrot gekleideten Frau vor dem lichtgrünen Wald mit den 
hohen Bäumen, an deren äußersten Zweigen erst zarte Fähnchen von jungen Blättern 
wehen. Wenn auch Bilder von Rousseau schon 1880 datiert sind, ist jene Landschaft doch 
1886 in der ersten Ausstellung der Independants erschienen, die er beschickte, noch ein 
ausgesprochenes Frühwerk. Das Bildnis Pierre Loti darf wohl in dem «Portrait de M. L.» 
des Kataloges von 1891 erkannt werden, womit seine größere Gliederung und weiter geführte 
Vereinfachung sich erklärt. Noch liegt es freilich vor dem Centenaire de l’independance von 
1892, der Bohemienne endormie von 1897 und den phantastischen Vegetations- und Tier- 
bildern aus dem Jahrfünft von 1905 bis 1910, mit Le Lion ayant faim, La Charmeuse de 
serpents, Kampf zwischen Tiger und Büffel, und Le Reve oder Yadwigha. 
Fast beängstigend nahe steht der große, helle Kopf des Mannes, der sicher von der 
gepflegten Geschmeidigkeit des Verfassers der Islandfischer und der Entzauberten tür- 
kischen Hanums nicht allzu viel vermittelt, in dem breiten Bildviereck vor dem Be- 
schauer. Allfälliges erstes Stutzen und Befremdetsein löst sich aber vor dem mild-ernsten 
Wohlklang und der schlackenlosen Reinheit der Farbe. Der Blick ist gehalten durch 
Antlitz und Hand des Mannes und den Obelisken der Katze. Der Aufbau des Bildes in 
ausgewogenen Flächen wie der kühle und satte farbige Akkord lassen es ausströmen, was 
sein Maler in sich trägt: Einfalt und Würde. 
Tafel IV Marino Marini 
Bacchus 
Italienischer Hartsandstein, Platte 158X85X8 cm, Reliefhöhe über Platte ca. 8 cm, 
Ellbogen über Plattenrand 19 cm, rechter Fuß 5—7 cm, bez.: 1935 Marino Marini 
Der Bildhauer Marino Marini ist 1901 in Pistoia geboren, seit 1929 Lehrer für Plastik 
am Istituto superiore d’arte in Monza. Arbeiten von ihm besitzen heute bereits zahlreiche 
Städte in ihren Museen, wie Mailand, Turin, Florenz, Rom, Paris, Detroit u. a. In der 
Ausstellung zeitgenössischer italienischer Maler und Bildhauer der Gegenwart vom 
November/Januar 1940/41 im Zürcher Kunsthaus erwies sich sein Bacchus als eines der 
anregendsten und freiesten Werke. Der «Bacchus» ist eine sehr lebendige Um- und Neu- 
bildung des antiken Motivs des schlafenden Fauns, z. B. gegenüber der Fassung der Münchener 
Glyptothek, und in allen Teilen gleichzeitig gelockert und von neuer Spannung erfüllt.
	        
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