Volltext: Jahresbericht 1957 (1957)

deren Mittler er hienieden zu sein beansprucht. Aehnlich wie 
viele Bildsymbole sepulkraler Darstellungen des dritten Jahr- 
hunderts n. Chr. aus der Hofkunst, wo sie der Verherrlichung 
und Vergöttlichung des Herrschers dienten, selbst von den ein- 
fachsten Leuten usurpiert wurden, so ist der zum Himmel 
gewandte Blick vom Herrscherbild auf Privatporträts über- 
gegangen. Auch unser Kopf gehört zu diesen, denn er läßt 
sich mit keinem Kaiser oder Angehörigen des Kaiserhauses 
identifizieren. Zugleich scheint sich auch die Bedeutung der 
Gebärde gewandelt zu haben. Hier empfinden wir nichts mehr 
von affektierter Zurschaustellung, und der Ausdruck hat auch 
die Selbstsicherheit jener Herrscherbildnisse verloren. Legte 
Caracalla seine Stirn zum Zeichen seines Ingrimms in Falten, 
so künden diese hier vielmehr vom Verlust der inneren Sicher- 
heit. Die Augen sind fragend und suchend geworden; sie 
fragen nach dem wahren Wert der überlieferten Güter des 
Glaubens und des Staates, die unter dem Ansturm fremder 
Religionen und Völker in den Fundamenten erschüttert sind, 
suchen nach festem Grund in diesem Strom und nach neuen 
Ankerplätzen. Und sie scheinen sie zu finden in der Anschau- 
ung des Firmaments, aus der sie das Gefühl des Einbezogen- 
seins in die alles, auch die Not und das Elend der Gegenwart 
umfassende Weltordnung nähren. Doch zugleich sind sie nach 
innen gewandt gemäß der Mahnung, die schon Mark Aurel 
an sich selber richtete: «Nach innen wende deinen Blick! 
Im Innern fließt die Quelle des Guten, eine Quelle, die immer 
neu sprudelt, wenn du nur nachgräbst.» Vielen boten nun, in 
der Zeit zwischen Marcus und Augustin, die altehrwürdigen 
Mysterien von FEleusis wieder Halt, und immer mehr lenken 
ihr Schifflein in den Hafen des Christentums, obwohl gerade 
der Generation des in unserem Bildnis Dargestellten dabei die 
fürchterlichsten Verfolgungen drohten. 
Spüren wir bei der Betrachtung des Antlitzes dieses Man- 
nes einerseits die ihn bedrängende Lebensangst, so verrät 
anderseits der feste und entschlossene Zug des Mundes den 
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