Volltext: Jahresbericht 1964 (1964)

ragen, als wichtigste Statisten des bühnenhaften Szenariums, 
zwei ausgemergelt dünne weibliche Gestalten gespenstisch 
empor. Die eine links in bunt schillerndem Abendkleid ist 
vom Rücken gesehen und liest; die andere, etwas in den 
Bildraum hinein versetzt, bietet sich dar als gestikulierende, 
tänzerische Gebärdefigur. Weißlich fahle Hände umschlingen 
ihre Taille und den linken Unterarm, und das in der Gegen- 
richtung blickende Haupt besteht aus Rosen — Pflanzliches, 
Vegetabiles, «Manichino-Artiges» verbindet sich in skurriler 
Mischung. Die übrigen Requisiten bevölkern in lockerer, auf 
die Protagonisten bezogener Streuung das Feld: ein in Jugend- 
stillinien konzipierter Stuhl, ein Tisch mit menschlichen 
Extremitäten und einem Ei, ein bewachsener Felsen in Form 
eines fletschenden Raubtierkopfes, schließlich, genau am 
Augenpunkt der Bildanlage, eine dritte kleine Figur sozu- 
sagen als Distanzmesser, deren Winzigkeit alles übrige trotz 
den geringen äußern Bilddimensionen ins gigantisch Maß- 
stablose wachsen läßt. 
Diese exakt illustrierte deliröse Traumwelt, die den 
phantastischen und absurden Mirakelzauber des Bildganzen 
aus lauter veristisch definierten Details als mixtum compo- 
situm zusammenstückt, besitzt ihre geschichtlichen Voraus- 
setzungen einerseits in der Pittura metafisica De Chiricos 
und ihrem dunklen Pathos, anderseits im literarischen Sur- 
realismus von Dichtern wie Robert Desnos und Paul Eluard.” 
Hinzu gesellen sich Anklänge an gewisse ausgefallene Inven- 
tionen des Manierismus des 16. Jahrhunderts, an die Kom- 
positporträts und anthropomorphisierten Landschaften Giu- 
seppe Arcimboldis. Der halluzinatorischen formalen Struktur 
antwortet die koloristische Haltung: das giftige Blaugrün und 
Stahlblau des Himmels wie das stechende Grüngraubraun 
des Bodens lichten sich überscharf gegen den Horizont hin 
auf; vor dieser Lichtfolie wachsen die Bestandteile der Kom- 
(9 Vgl. Werner Haftmann, a. a. O0., 5. 
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