sprung in expressiv inhaltlichen Akzentuierungen liegt und die Picasso
in den späteren zwanziger Jahren, das heißt in seiner Auseinandersetzung
mit dem Surrealismus, so weit gesteigert hat, daß das zugrundeliegende
Naturvorbild oft kaum mehr zu erkennen ist. Diese beiden Grundströ-
mungen, Kubismus und expressive Deformation, bestimmen zusammen
mit einem immer wieder durchbrechenden Klassizismus in wechselndem
Ausmaß Picassos gesamtes späteres Werk.
«Femme au chapeau» ist von sehr zarter Farbigkeit, beinahe eine Gri-
saille; die vielfach abgestufte Grauskala läßt nur im untern Bildteil ein
schüchternes Lindengrün einen zarten Kontrast andeuten. Auch diese
farbige Beschränkung läßt sich in Picassos Werk wiederholt beobachten.
Als reine Grisaillen hat Picasso einige seiner berühmtesten Bilder ge-
staltet: «Guernica» zu Beginn, «Le charnier» am Ende des Zweiten
Weltkrieges, 1957 die größte und einzige den ganzen kompositionellen
Aufbau des Vorbildes übernehmende Fassung der «Meninas».
Alle diese Bemerkungen, die anzudeuten versuchen, wie zentral die in
«Femme au chapeau» behandelten Probleme inhaltlicher, formaler und
farbiger Natur in Picassos Lebenswerk sind, sollen jedoch nicht den Blick
vom Besonderen dieses Bildes ablenken. Picasso selbst kümmert sich wenig
um Entwicklung in seiner Kunst; jedes Bild zeugt für ihn in seiner un-
verwechselbaren Einmaligkeit von seinen jeweiligen Gedanken und In-
tentionen.
Felix Andreas Baumann