Volltext: Jahresbericht 1971 (1971)

Sehen und doch nicht nach außen sehen. Auch die «Spiegelscheibe » wirft 
nicht das Bild der Figur zurück. Sie: erlaubt Durchsicht, trennt, isoliert 
aber doch: — eine. gläserne Wand. Verwandte dieser Sitzfigur ließen sich 
am ehesten in östlichen Kulturen finden, doch sind kaum direkte Anspie- 
lungen auf kniende ägyptische Figuren oder auf östliche Heilige gewollt, 
die in der Regel wie Buddha mit untergeschlagenen Beinen sitzen. Die an 
die öden Wüstenlandschaften Tanguys oder Dalis erinnernde, in die Tiefe 
schießende. Bodenfläche läßt an den vordern Orient denken. Bedeutet das 
pyramidenförmige Gestein Ägypten? Auch die Attribute, der Sitzfigur 
geben keine präzisen Aufschlüsse. Rosenkränze und Gebetsschnüre läßt 
der in Andacht, in Meditation Versunkene durch die Finger gleiten. Der 
Faden kann Symbol für das Leben sein, für den Gegensatz von unend- 
licher und bemessener Zeit. 
Auf festerem Grund fühlen wir uns beim Ei. Es ist in ‚vielen Kulturen 
Lebens- und Fruchtbarkeitssymbol, Sinnbild der Auferstehung. Uns liegt 
das österliche Ei mit seiner altnordischen Vergangenheit nahe. Es ist 
Attribut der Ostera, der alten Frühjahrsgöttin. Viele Schöpfungsmythen 
lassen die Welt aus dem Ei, dem Weltei, entstehen. Eine wichtige Rolle 
spielt in der Alchemie das «Ei des Philosophen». Es ist das vom Artifex 
gefaßte Chaos, die «prima materia». Die Alchemie bedient sich des ei- 
förmigen Gefäßes. Der Philosoph verspürt in der Vision eine «Bruthitze », 
seine Meditation erscheint als eine «Selbstbebrütung». Das entspricht; 
wie C. G. Jung bemerkt hat; der Vorstellung des «Tapas» im indischen 
Yoga, ebenfalls einer Selbstbebrütung. Zweck ist stets die Wandlung und 
Auferstehung. — Rätselvoll bleibt die intensiv blaue Einfärbung der Fuß- 
sohlen. Üblicherweise jedem Blick entzogen, ist die Fußsohle wie die 
Handfläche etwas sehr Privates, Persönliches. Auch beim buddhistischen 
Sitzen mit verschränkten Beinen sind die Fußsohlen sichtbar nach oben 
gewendet. Zu denken ist auch an kultische Einfärbungen einzelner Kör- 
perteile bei primitiven Völkern.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.