Volltext: Jahresbericht 1971 (1971)

PABLO PICASSO, FEMME AU CHAPEAU, 1961 
Obwohl Picassos Gesamtwerk im Laufe seines langen Lebens zahlen- 
mäßig zu einer Breite angewachsen ist, die es beinahe verunmöglicht, die 
in die Tausende gehenden Werknummern zu überblicken, so lassen sich 
doch relativ leicht Themen herauslesen, die in allen entscheidenden Etap- 
pen seines Werdeganges wiederkehren. Zu diesen Themen gehört das 
Bild der in einem Stuhl oder Fauteuil sitzenden Frau, wobei freilich dieses 
Motiv nur einen Aspekt jenes wichtigsten Darstellungsgegenstandes dar- 
stellt, den Picassos Kunst kennt: das Bild des Weibes in all seinen Erschei- 
nungsformen als Freundin, Geliebte, Mutter, Göttin, Hure usw. 
Bereits zu Beginn unseres Jahrhunderts, das heißt kurz nachdem Picasso 
nach Paris gekommen ist, begegnen wir dem Bild der sitzenden Frau, zu- 
nächst in der sprühenden Brillanz der Toulouse-Lautrec-Nachfolge, bald 
auch als Ausdruck menschlichen Elends in der blauen Periode. An 
«Femme au fauteuil» werden sämtliche revolutionierenden Formerfah- 
rungen des Kubismus erprobt, in ingreskem Klassizismus malt Picasso 
1917 seine junge Frau Olga. Das Thema reflektiert im Laufe der Jahre 
die gegensätzlichen Charaktereigenschaften seiner Freundinnen. Auf das 
sanfte Gesicht mit dem antikisch-klassischen Profil von Marie-Therkse 
Walter, das um 1932 mehreren Bildern eines im Fauteuil schlafenden 
Mädchens zugrunde liegt, folgt das temperamentvolle, leicht asymmetri- 
sche Antlitz von Dora Maar, das unter Picassos Pinsel die gewalttätigsten 
Deformationen über sich ergehen lassen muß, läßt sich doch in den Bil- 
dern mit Dora Maar — «La femme qui pleure»! — die ganze Bedrängnis 
des Künstlers in der Zeit des Zweiten Weltkrieges ablesen. Die Gefährtin 
der Nachkriegszeit, Francoise Gilot, finden wir in einer polnischen Jacke 
im Fauteuil sitzend dargestellt, 1954 entsteht eine Folge von 12 sitzenden 
Halbfiguren-Porträts von Sylvette, und äußerst zahlreich sind schließlich 
die Bilder, die Picasso von seiner zweiten Frau Jacqueline Roque gemalt 
hat. Als Arlesienne oder auf einem Schaukelstuhl meditierend, immer 
wieder begegnen wir im Spätwerk Picassos ihrem südländisch-schönen
	        
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