Volltext: Jahresbericht 1972 (1972)

problem, das Albers in den strukturalen Konstellationen untersucht, ist die 
raumbildende Kraft der Linie, wobei bewußt schwebende und ambivalent 
zu lesende Räume evoziert werden. Ein oft wiederkehrendes Kompositions- 
mittel ist dabei die doppelte Verwendung derselben Form. Im Falle von 
«U 7» glaubt man auf den ersten Blick zwei einander berührende, ge- 
faltete Bänder vor sich zu haben, das eine Band von links nach rechts ver- 
laufend, das andere in der Gegenrichtung. Bei näherem Zusehen ent- 
deckt man, daß nicht alle Faltstellen ausgezeichnet sind, was das räum- 
liche Vor- und Zurücktreten verunklärt. Zudem liegen diejenigen Kanten, 
mit denen sich die beiden Bänder berühren, in scheinbar verschiedenen 
Tiefenschichten: die am weitesten vorn erscheinenden Flächen werden 
mit den scheinbar zuhinterst liegenden zusammengebracht. Wobei, wie so 
oft bei Albers, bewußt offen gelassen wird, ob sich eine Form in die Tiefe 
oder aus der Fläche heraus dem Betrachter entgegen bewegt; so ist es 
durchaus möglich, die mittleren Partien der beiden Bänder in dieser 
Doppeldeutigkeit zu lesen. Mit diesen Konstruktionen geht es Albers nicht 
um eine einfache geometrische Spielerei. Er will vielmehr auf die Relati- 
vität aller Erscheinungsformen hinweisen, vor allem auf die Abhängigkeit 
der Einzelform von ihrer Umgebung, auf das Einwirken der einen auf die 
andere Form. Damit greift er im formalen Bereich dasselbe Problem auf 
wie im farblichen mit der Serie der «Hommage to the Square». Im 
Gegensatz zu den meisten Konstruktivisten sucht Albers nicht geometri- 
sche Ordnungen zu etablieren — im Gegenteil: er stellt diese Ordnungen 
in Frage und zwingt somit den Betrachter, dem oberflächlich Gesehenen 
zu mißtrauen und seine Vorstellungskraft zu betätigen. Zu Recht spricht 
Werner Spies von einem geometrischen Surrealismus. 
Wie der Deutsche Albers so hat auch der Schweizer Fritz Glarner (1899 
bis 1972) die längste Zeit seines Schaffens in den Vereinigten Staaten ver- 
bracht. Auch Glarners Stellung innerhalb der konstruktiven Kunst ist in 
hohem Maße persönlich. Glarner hat nie den rechten Winkel als allein
	        
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