Volltext: Jahresbericht 1972 (1972)

befindet sich ein weißes Quadrat; da diese weißen Kerne gegenüber dem 
übereck gehängten Ganzen und auch den vier Quadraten um 45 Grad ge- 
dreht sind, kommen sie als einzige Flächen des ganzen Bildes in die Hori- 
zontale zu liegen. Von links ausgehend, nehmen die weißen Kerne im 
Uhrzeigersinn an Größe zu; der nächstfolgende ist jeweils viermal größer 
als der vorangegangene Kern. Mit der Zunahme des Kerns vergrößert 
sich der ihn umgebende «Hof» der hellen Pastelltöne — Gelb, Rosa, Hell- 
blau, Türkis —, die mengenmäßig alle gleich stark vertreten sind. Die quan- 
titativ den größten Teil der Bildfläche beanspruchenden vier dunklen 
Farbtöne — Rot, Olivgrün, Blaugrün, Violett — sind den unregelmäßigsten 
Formen des Bildes eingepaßt. Diese sind deshalb zustandegekommen, da 
Max Bill die zuerst erwähnten vier Quadrate optisch nicht voneinander 
getrennt hat, sondern jeweils dieselbe Farbe aneinanderstoßen ließ. Man 
könnte somit sagen, daß die vier sich im Zentrum des Bildes treffenden, 
rhomboiden Farbfelder je aus zwei angrenzenden Flächen (Dreiecke) zu- 
sammengesetzt sind. Da innerhalb der vier Quadrate die dunklen Farben 
mengenmäßig gleich stark vertreten sind, so sind auch aufs Ganze gesehen 
Rot, Olivgrün, Blaugrün und Violett quantitativ gleich. Ein enges Ver- 
hältnis von Form und Farbqualität läßt sich gleichermaßen nachweisen: 
den bewegten, «rotierend» sich stoßenden Flächen entsprechen die sich 
«stoßenden» Farbkontraste von Rot, Oliv, Blaugrün und Violett. Die 
formal leichter erfaßbaren Pastelltöne vermitteln zwischen der in ruhiger 
Lage sich befindenden Nichtfarbe Weiß und dem soeben erwähnten Farb- 
klang. Gegenüber dem eindeutigen Farbakkord der frühen konstruktiven 
Kunst — bei Mondrian die drei Grundfarben Rot, Blau, Gelb und die drei 
Nichtfarben Schwarz, Grau, Weiß — könnte man in der Farbigkeit des 
Bildes von Max Bill (und überhaupt der geometrischen Kunst der sechziger 
Jahre) eine Entwicklung erkennen, die dem Übergang von der Renais- 
sance zum Manierismus nicht unähnlich ist, wobei der Begriff Manieris- 
mus keineswegs in abschätzigem Sinne verstanden werden darf. Dem
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.