beim Malen einstellten, oder sich von Eindrücken
seiner Besucher ableiteten. Grau war eine Lieb-
lingsfarbe von Albers, er konnte darüber fast ins
Schwärmen geraten, und hinter seinem scharf
abwägend die Farbgewichtigkeit in Ordnung brin-
genden Kunstverstand verbarg sich eine Emp-
findsamkeit, wie man sie im gängigen Vorstellungs-
klischee eines Künstlers der konstruktiven Richtung
eher unterschätzt. Aber wer sich mit seiner « Huldi-
gung an die Farbe» näher befasst, ohne Vorurteil
gegenüber einer ihre Mittel objektivierenden
Malerei, dem teilt sich die emotionale Stärke, die in
den Quadratbildern von Albers enthalten sein
kann, wie von selbst mit.
Die «Albers» hängen nicht als Inkunabeln moderner
Farbfeldmalerei losgelöst vom kunsthistorischen
Zusammenhang im Kunsthaus Zürich. Sie fügen sich
ein in die Kollektion konstruktiver Kunst, wie sie
über die Jahrzehnte herangewachsenist, Kupka,
Mondrian, Vantongerloo etwa, und die Schweizer
Konkreten, stellen Nachbarwerke, vermitteln
verwandte bildnerische Bezüge. Man sagt, es sei eine
kunsthistorische Schwäche, Kunst stets im Kon-
text mit Kunst zu sehen. Aber die konstruktive Kunst
ist ein typisches Gestaltungsfeld der Ideenvariation
und der Ideenkombination: wir erkennen Albers in
seiner eigenen Erfindungswelt, und wir begreifen
den Stellenwert, den sein Schaffen im schöpferischen
Konzept konstruktiven Bilddenkens einnimmt. —
Dem Kunstfreund, der diese Abteilung im Kunsthaus
Zürich durchwandert, sei überlassen, den Ein-
flüssen nachzuspüren, die zu Albers hinführen, und
jenen, die von ihm wegführen. Albers liebte die
Farbe Grau. Man achte darauf, wie seine Grautöne die
Bilddimensionalität in der Schwebe halten, und
man vergleiche, wie andererseits Fritz Glarner das
Grau zur optischen Harmonisierung seiner Farb-
Form-Gefüge gebraucht. — Auf eine anscheinend
weitab gerückte Vorstellungsverknüpfung sel ab-
schliessend aufmerksam gemacht.
In der Kunsthaussammlung befinden sich drei der
Farbfleckenbilder von Augusto Giacometti. Sie sinc
aus mosaikartig aufgetragenen, unverbundenen
Farbpartikeln komponiert. Die Leinwand schimmeri
durch und ist zugleich in ihrer Helligkeit eine
Farbqualität unter anderen. Im Vergleich zu Albers
interessiert besonders die « Chromatische Phantasie
(1914): ein Stimmungsbild aus Gelb, Orange, Rot,
Gold und Weiss. Hat nicht Albers immer wieder das
Nebeneinander der Farben als Lebenselixier der
«Interaction of Color» hervorgehoben? Stehen nich:
auch bei Giacometti, herkommend vom Neo-
impressionismus, die Farben unvermischt nebenein:
ander und lösen das aus, was Albers so beschreibt:
«in, oder auf dem unterliegenden Raster, ordnen sich
die Farben: durch Affinität und Kontrast, verbinden
und trennen sie sich, — in bezug auf Ton wie auf Licht
in Gruppen mannigfacher Art». Und wenn
Giacometti — zumindest in dieser Schaffensphase
vom Natureindruck zum Farbeindruck als einem
schöpferischen Anreiz gekommen ist, so steht er auc}
damit recht nahe bei Albers. Vielleicht ist es einmal
möglich, Giacomettis Farbmosaiken neben Albers’
«Huldigung an das Quadrat» zu zeigen. Jede Neu
erwerbung eines Museums vitalisiert ihren Samm-
lunasbestand.
Margit Stabeı
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