Volltext: Jahresbericht 1977 (1977)

beim Malen einstellten, oder sich von Eindrücken 
seiner Besucher ableiteten. Grau war eine Lieb- 
lingsfarbe von Albers, er konnte darüber fast ins 
Schwärmen geraten, und hinter seinem scharf 
abwägend die Farbgewichtigkeit in Ordnung brin- 
genden Kunstverstand verbarg sich eine Emp- 
findsamkeit, wie man sie im gängigen Vorstellungs- 
klischee eines Künstlers der konstruktiven Richtung 
eher unterschätzt. Aber wer sich mit seiner « Huldi- 
gung an die Farbe» näher befasst, ohne Vorurteil 
gegenüber einer ihre Mittel objektivierenden 
Malerei, dem teilt sich die emotionale Stärke, die in 
den Quadratbildern von Albers enthalten sein 
kann, wie von selbst mit. 
Die «Albers» hängen nicht als Inkunabeln moderner 
Farbfeldmalerei losgelöst vom kunsthistorischen 
Zusammenhang im Kunsthaus Zürich. Sie fügen sich 
ein in die Kollektion konstruktiver Kunst, wie sie 
über die Jahrzehnte herangewachsenist, Kupka, 
Mondrian, Vantongerloo etwa, und die Schweizer 
Konkreten, stellen Nachbarwerke, vermitteln 
verwandte bildnerische Bezüge. Man sagt, es sei eine 
kunsthistorische Schwäche, Kunst stets im Kon- 
text mit Kunst zu sehen. Aber die konstruktive Kunst 
ist ein typisches Gestaltungsfeld der Ideenvariation 
und der Ideenkombination: wir erkennen Albers in 
seiner eigenen Erfindungswelt, und wir begreifen 
den Stellenwert, den sein Schaffen im schöpferischen 
Konzept konstruktiven Bilddenkens einnimmt. — 
Dem Kunstfreund, der diese Abteilung im Kunsthaus 
Zürich durchwandert, sei überlassen, den Ein- 
flüssen nachzuspüren, die zu Albers hinführen, und 
jenen, die von ihm wegführen. Albers liebte die 
Farbe Grau. Man achte darauf, wie seine Grautöne die 
Bilddimensionalität in der Schwebe halten, und 
man vergleiche, wie andererseits Fritz Glarner das 
Grau zur optischen Harmonisierung seiner Farb- 
Form-Gefüge gebraucht. — Auf eine anscheinend 
weitab gerückte Vorstellungsverknüpfung sel ab- 
schliessend aufmerksam gemacht. 
In der Kunsthaussammlung befinden sich drei der 
Farbfleckenbilder von Augusto Giacometti. Sie sinc 
aus mosaikartig aufgetragenen, unverbundenen 
Farbpartikeln komponiert. Die Leinwand schimmeri 
durch und ist zugleich in ihrer Helligkeit eine 
Farbqualität unter anderen. Im Vergleich zu Albers 
interessiert besonders die « Chromatische Phantasie 
(1914): ein Stimmungsbild aus Gelb, Orange, Rot, 
Gold und Weiss. Hat nicht Albers immer wieder das 
Nebeneinander der Farben als Lebenselixier der 
«Interaction of Color» hervorgehoben? Stehen nich: 
auch bei Giacometti, herkommend vom Neo- 
impressionismus, die Farben unvermischt nebenein: 
ander und lösen das aus, was Albers so beschreibt: 
«in, oder auf dem unterliegenden Raster, ordnen sich 
die Farben: durch Affinität und Kontrast, verbinden 
und trennen sie sich, — in bezug auf Ton wie auf Licht 
in Gruppen mannigfacher Art». Und wenn 
Giacometti — zumindest in dieser Schaffensphase 
vom Natureindruck zum Farbeindruck als einem 
schöpferischen Anreiz gekommen ist, so steht er auc} 
damit recht nahe bei Albers. Vielleicht ist es einmal 
möglich, Giacomettis Farbmosaiken neben Albers’ 
«Huldigung an das Quadrat» zu zeigen. Jede Neu 
erwerbung eines Museums vitalisiert ihren Samm- 
lunasbestand. 
Margit Stabeı 
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