Volltext: Jahresbericht 1979 (1979)

Restaurierung 
Jede Restaurierung eines Kunstwerkes hat eine Ver- 
änderung seiner Materie und seines ästhetischen 
Zustandes zur Folge. So wird beispielsweise die 
Materie gepresst, wenn man ein Bild doublieren 
muss (eine neue Leinwand auf die alte fixieren, weil 
diese spröde wurde und Risse aufweist), oder neue 
Materie hinzugefügt, wenn ein Bild oder eine Skulp- 
tur imprägniert, gesichert und gefirnisst wird. Ästhe- 
tische Veränderungen werden besonders nach einer 
Reinigung, nach dem Retuschieren der Fehlstellen 
und dem Firnissen der Malschicht offensichtlich. 
Die Art, wie der ästhetische Zustand verändert 
wird, hängt im wesentlichen davon ab, wie der Re- 
staurator die originalen ästhetischen Werte des 
Werkes zu verstehen glaubt. Restaurieren bedeutet 
daher auch /nterpretieren eines Kunstwerkes, wobei 
die Interpretation direkt auf dem Werk vorgenom- 
men wird, während die Interpretation eines Kunst 
historikers der originalen Materie nichts anhaben 
kann. 
In vielen Fällen führt der Eingriff eines Restaurators 
zu einer Verbesserung des Zustandes des Werkes. 
Genauso kann es sich aber verheerend auswirken, 
wenn völlig unbedacht technologische Möglichkei- 
ten radikal durchgespielt werden. In den letzten 
Jahrzehnten, als immer mehr Museen der Welt 
Restaurierungsateliers einrichteten, im Glauben, den 
staubigen Sammelobjekten die Atelierfrische ihres 
Entstehungszustandes zurückgeben zu können, 
wurden in vieler Hinsicht grosse Schäden angerich- 
tet. Bilder wurden verpresst, verputzt, matte Ober- 
flächen glänzend gefirnisst, Skulpturen neu bemalt 
USW. 
Dieser gefährlichen Tatsachen bewusst, erachten 
wir unsere Hauptaufgabe im Kunsthaus in erster 
Linie im Konservieren der Kunstwerke, denn am 
wertvollsten und schönsten sind sie, wenn sie nicht 
restauriert und dennoch in gutem Zustand erhalten 
sind. Wir wollen versuchen, den /rreversiblen Alte- 
rungsprozess, dem unweigerlich jedes Kunstwerk 
ausgesetzt ist, zu verzögern, indem wir uns um alle 
schädlichen Faktoren kümmern, die auf das Kunst- 
werk einwirken. Dazu gehört die Kontrolle der Licht 
und Klimabedingungen der Räume und das Aufhal 
ten frühzeitig bemerkter Zerfallserscheinungen. Als 
prophylaktische Pflege müssen wir leider manchma 
Bilder, Collagen oder Reliefs mit hässlich verfrem- 
dendem Plexiglas abdecken lassen. Dies gilt beson 
ders für Malereien mit matt vibrierender Farbober- 
fläche (z.B. bei Klee), eine Oberfläche, die bei einer 
Schaden nie wiederhergestellt werden könnte, ode‘ 
für Bilder mit monochromen Farbflächen, wie jene 
der Konstruktivisten beispielsweise. 
Moderne Kunstwerke sind meist ganz besonders 
anfällig auf Schäden, wenn sie aus billigen Fabrik- 
produkten oder mit den varliertesten Materialien 
hergestellt sind. Es kann dann für uns zu einem 
absurden Kampf um deren Erhaltung führen, zuma 
solche Werke auf einen schnellen Verfall hin 
absichtlich angelegt sein können (Schimmelbilder 
von Dieter Rot). Vorsorgliche Massnahmen sind be: 
modernen Bildern auch deshalb besonders ange- 
bracht, da die Restaurierungsprobleme mangels 
technischer Methoden und wegen ungelöster 
restaurierungsideologischer Fragen noch viel 
komplexer sein können als die Probleme auf älterer 
Xunstwerken. 
Die rege Ausste/llungspolitik auf nationaler und in 
ternationaler Ebene bedeutet für die Kunstwerke, 
dass sie in weit höherem Masse Gefahren ausge- 
setzt sind, als wenn sie im Museum einen ruhigen 
Standort gefunden haben. Der deutsche Restaura- 
torenverband hat sich öffentlich laut gemacht und 
gefordert, den Schwung des Ausstellungskarussells 
zu verlangsamen zugunsten von jeweils fundierteren 
Ausstellunaskonzeptionen. Dabei sollten in Zukunft 
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