Volltext: Jahresbericht 1979 (1979)

Mit dem grossformatigen Relational Painting 
1945-48 sind Inkubationszeiten und Retardierungen 
iberwunden: «determined space» heisst es nun, ein 
völlig durchstrukturiertes Bildganzes von einer nur 
so und nicht anders zu erzeugenden Räumlichkeit 
entfaltet sich vor den Augen des Betrachters. 
Rechteck fügt sich an Rechteck, Rechteckgruppen 
vereinigen sich zu Formblöcken, jedes Rechteck 
durch Abschränkung fast unmerklich aktiviert. Die 
sich wiederholende Schräge ist zudem ein Mittel 
der Vereinheitlichung. Diese Funktion erfüllen auch 
die konstanten Grössen der Primärfarben Rot, Blau 
und Gelb. Der Reichtum der Grautöne zwischen 
Weiss und Schwarz freilich bringt das Bild zum Le- 
ben, gleicht aus, betont, akzentuiert, moduliert. - In 
dieser elementaren und wandlungsfähigen Welt 
seiner «Beziehungsmalerei» fand Fritz Glarner seine 
künstlerische Befriedigung. Das Relational Painting 
hält ihn fest in den beiden Varianten des Rechteck- 
formates und des Tondos. Insgesamt schuf er 74 
rechteckige und 65 runde Bilder dieser Art. Sein 
erstes Relational Painting verkaufte er 1945 an die 
amerikanische Mäzenin (und Malerin) Katherine 
S.Dreier, 1920 Begründerin der «Societe Anonyme). 
Mit seinen grossen Wandbildaufträgen hat Fritz 
Glarner sich später dann in die amerikanische Aner- 
kennung hineingemalt. 
Wer an Glarner und sein Relational Painting denkt, 
der denkt unwillkürlich auch an Piet Mondrian. In 
dem Kunsthaus-Legat sind zwei Bilder enthalten, 
die Mondrians in New York entstandenem Spätwerk 
besonders nahe zu stehen scheinen: Painting (grey) 
von 1942 und Painting (white) von 1945. Sie tragen 
alle Züge des Relational Painting, aber aus Gründen. 
die Glarner nirgends erklärte, nannte er sie nicht so. 
'm Stand schöpferischer Unschuld, unberührt von 
der auch damals schon vom Erfinderehrgeiz be- 
herrschten Kunstszene, entschloss sich Glarner zur 
Verwendung der Primärfarben und elementarer 
rechtwinkliger Bildstrukturen, wie sie als Reservat 
von Mondrian und des Neoplastizismus galten. Er 
tat es deshalb, weil ihm diese Mittel für seine Ab- 
sichten am geeignetsten schienen, und er hat ihnen 
einige feine, aber wesentliche Eigenheiten ange- 
deihen lassen. Darin mag mehr originales schöpferi- 
sches Denken liegen, als manche lautstark ihre Erst: 
geburtsrechte deklarierenden Malerkollegen sich 
sarträumen. In der Kunsthaussammlung kann man 
nun die entsprechenden vergleichenden Studien 
selbst betreiben. Einen grundsätzlichen Unterschied 
zwischen Glarner und dem späten Mondrian (z.B. 
Broadway Boogie Woogie 1942-43, leider nicht in 
Zürich, sondern im Museum of Modern Art in New 
York) muss man in ihrer jeweiligen Auffassung über 
die Bilddimensionalität suchen: Mondrian — mit den 
sich überkreuzenden Gittern, Glarner - mit dem 
‚einen Aneinanderstossen der Gitter, was völlig 
anders wirksame Bildräume evoziert. Man weiss 
nicht, worüber Mondrian und Glarner bei ihren 
gegenseitigen Atelierbesuchen diskutiert haben — 
vielleicht über solche Fragen? Einer, den man hier 
arwähnen muss und den man ebenfalls im Kunst- 
haus Zürich mit Anschauungsbeispielen antrifft, ist 
>aul Klee mit seiner Vorstellung der Farbdimensio- 
nalıtät. 
Fritz Glarner hat lange an seinen Bildern gemalt, er 
hat sie weggestellt, dann wieder hervorgeholt und 
neu überprüft. Da er seine Malerei als Fortsetzung 
ein. und desselben Bildgedankens verstand, musste 
‘hm daran gelegen sein, die Entwicklungsfähigkeit 
dieser Idee zu verdeutlichen. Die Zeichnung wurde 
für ihn zu dem Medium, worin er die Abweichungen 
von den kompositionellen Grundregeln des Relatio- 
nal Painting erforschen konnte. Er konnte damit 
auch belegen, wie die scheinbar so neutrale, geo- 
metrische Syntax seiner Bildsprache für Ihn zum 
Spielraum schöpferischer Fantasie geworden ist. Er- 
freulicherweise gehören zum Glarner-Nachlass auch 
Zeichnungen und eine grössere Zahl unfertiger 
Leinwände in unterschiedlichen Stadien der Ausfüh: 
"ung. Daran zeigt sich die kreative Mühsal, die Fritz 
Glarner sein Leben lang begleitete, und man ist be- 
rührt von der intensiven Mischung aus nüchterner 
Selbstkritik und tastender Unsicherheit, die den 
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