Volltext: Jahresbericht 1980 (1980)

die Wechselwirkung von Bild und Wand, die 
Probleme der Bildbegrenzung und die unterschied- 
lichen Wirkungen des Farbauftrags, je nachdem 
ob er mit breiten oder schmalen Pinseln, in einer oder 
mehreren Lagen malt. Die Beschränkung auf das 
Quadrat und die Farbe Weiss ermöglicht ihm, diese 
Grundbedingungen|des Malens ohne Ablenkungen 
zu artikulieren. Die Farbe Weiss hat bei Ryman keinen 
symbolischen oder metaphysischen Wert mehr, wie 
etwa bei Malewitch oder bei Piero Manzoni; das ist 
seiner Meinung nach die Sache einer früheren 
Generation gewesen. «Ich sehe mich nicht als jemand, 
der weisse Bilder macht, ich mache Bilder; ich bin 
ein Maler. Weisse Farbe ist mein Medium.» Für ihn ist 
Weiss neutraler als andere Farben und am wenigsten 
von Assoziationen belastet] Die formale und farb- 
liche Reduktion hindert ihn nicht daran, eine reiche 
Vielfalt innerhalb seiner Bilder zu entwickeln und 
«peinture) im klassischen Sinn zu betreiben. «Es geht 
nie darum, was man malt, sondern immer nur, wie 
man malt. Das ‚wie’ des Malens hat seit jeher das 
Bild - das Ergebnis - ausgemacht, (R. Ryman). Mit 
welch ausgeprägter Sensibilität Ryman malt und 
welch ausgesprochen sinnliche Wirkung seine Bilder 
ausstrahlen, beweist jede Ausstellung, in der man 
seinen Originalen begegnen kann. 
An die Graphik geht Ryman laut seiner Aussage wie 
an die Malerei heran. Er erforscht die spezifischen 
Möglichkeiten des Mediums. Die Serie der 30 Probe- 
drucke für «Circle Lithograph> hat einen wichtigen 
Stellenwert in seinem Werk. Er habe nie wieder eine 
solche Anstrengung auf graphischem Gebiet unter- 
nommen, meinte er in einem Gespräch, und er setze 
die Serie in der Bedeutung mit einem ganz wichtigen 
Bild gleich. Ähnlich wie in seiner Malerei befragt 
er jedes Bildelement nach seiner Ausdrucksmöglich- 
keit: das Papier, die Farbmaterie, den Farbauftrag, 
die Bildbegrenzung. Er variiert in den einzelnen Probe- 
drucken den Bildträger: er verwendet einmal BFK 
Rives, ein andermal weisses Arches-Papier, er ändert 
die Papierrichtung, er macht einen Unterschied 
zwischen gerissenem und geschnittenem Papierrand. 
Er variiert sodann die Fabmaterie: in einigen Blättern 
benutzt er autographische Tinte (Korn’s autographic 
ink), in anderen Lithotusche (Charbonnel paste. 
tusche), die mit Lackverdünner vermischt wird. Der 
Weisston des Quadrats wechselt von warmem Gelb 
weiss über Grauweiss bis zu kaltem Blauweiss. Der 
Farbauftrag erfolgt mit der Reissfeder oder mit dem 
Pinsel, zuweilen mit einem Baumwollkissen. Die 
Begrenzungslinien sind entweder mit Graphitstift 
oder mit Lithostift gezogen. Sie umrahmen das 
Quadrat entweder auf vier oder auf zwei Seiten. In 
einigen Probedrucken fallen sie ganz weg, so dass 
sich das Quadrat lediglich durch Farbnuancen vom 
Untergrund abhebt. In anderen enthält die Quadrat- 
fläche keine Farbe und ist nur durch die Umriss- 
linie bezeichnet. ; 
Ryman spielt in den 30 Lithographien das Thema des 
weissen Quadrats auf einer Kreisfläche in seinen 
vielfältigen Möglichkeiten durch, indem er die sieber 
Platten in immer neuer Weise miteinander kombi- 
niert. Dabei sind alle Variationsformen gleichwertig, 
jede ist für sich (vollendet). Eine Platte mit einer 
quadratischen Farbfläche kann in der Verbindung mi 
verschiedenen Begrenzungslinien und mit verschie- 
denen Druckfarben bis zu vier oder fünf Kombinatio- 
nen ergeben. Beispielsweise kann die Farbfläche de! 
Platte A («Autographische Tinte, mit Reissfeder und 
Pinsel aufgetragen») mit der vierseitigen Graphitstift 
begrenzung aus rechtwinklig sich überschneidender 
Linien der Platte F einmal in blau und einmal in 
grau kombiniert werden. Die Farbfläche schliesst 
dabei auf der linken und auf der oberen Seite dicht 
an die Umrahmungslinien an, während sie rechts 
und unten über die Einrahmung hinausgeht (Nr. 13, 
15, 25, 26 und 30). In Verbindung mit der zwei- 
seitigen Graphitstiftbegrenzung .der Platte .B liegen 
die rechte und die untere Seite der Farbfläche frei 
(Nr. 14, 16 und 31). Im Gegensatz dazu ist die quadra 
tische Farbfläche der Platte G, die mit den gleichen 
Malmitteln und Malinstrumenten hergestellt ist wie 
Platte A, so ausgebildet, dass sie ebenfalls links und 
oben mit der Begrenzung der Platte F abschliesst,
	        
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