die eigentlichen, leicht gebogenen Flächen des Hammer-
stückes und des «Halses» wie mit Glanzlichtern aufhellt.
Noch stärker kommt dies im unmittelbar danach entstan-
denen Materienzerstörer zum Ausdruck, wo die konkreten
Hinweise auf Anthropomorphes, Zoomorphes und Vege-
tabilisches noch weiter zurückgedrängt sind. Die ovoide
Grundform, die an sich schon auf eine - womit auch immer
zu verbindende - Keimzelle menschlichen oder tierischen
Lebens bezogen werden kann, dringt mit verschiedenartig
gestalteten Fortsätzen, Gliedern oder Antennen ın den
Raum vor und nährt solcherart die gewagtesten Assozia-
tionen, die von der (Leben imitierenden) «Filmkamera», als
technischem Produkt, bis hin zum (vereisten) «Tiefkühl-
poulet», als kreatürlichem «Produkt», reichen mögen...
[m Unterschied zum Mutant und vor allem auch im Unter-
schied zu den oben erwähnten Plastiken Picassos sind die
einzelnen verwendeten Elemente nicht mehr als solche
«ablesbar», wirken wie mit einer nivellierenden, gallertar-
tigen Aussenhaut überspannt, die sie in ihrer Dinglichkeit
anonymisiert. Die Farbfassung bewegt sich beim Materien-
zerstörer lediglich in einer Schwarz-Grau-Weiss-Stufung
und akzentuilert wiederum vor allem die Rundungen sowie
die tief eingeschnittenen Kerben und rippenartigen Grate.
Klaudia Schifferle kalkuliert in ihren Plastiken, die immer
auch von einem skurrilen Humor beseelt werden, die
Rezeptionsebene mit ein: es gelingt ihr, ein emotionelles
Kräftespiel zu provozieren, das einerseits den Widerstand
bis hin zur Ekelschwelle auslösen kann und andererseits in
der beherrschten, plastischen Form relativiert wird. Beim
Mutant gar bewegt sich dieser ambivalente Wechsel der
Gefühle von inhärenter Aggression (mit dem «Fuchs-
schwanz», dem roten phallusartig hervortretenden dritten
Bein) bis hin zu einer potentiellen Selbstverniedlichung.
Toni Stooss
Werner Spies: Die «enzyklopädischen» Skulpturen, in: Pablo Picasso - Das
plastische Werk, Verlag Arthur Niggli AG, Teufen (AR), 1971, 5.176 ff.
Werner Spies: Frau mit Kinderwagen (Kat. Nr. 245), in Kat.: Pablo Picasso —
Sammlung Marina Picasso, Haus der Kunst, München / Josef-Haubrich-
Kunsthalle, Köln / Städel, Frankfurt / Kunsthaus Zürich, 1981/82,
5.386 (Abb. S. 387).
MARTIN DISLER, BERÜHRUNG IM WINTER, 1986
Je länger ich micht mit dem Bild beschäftige, je mehr ich ın
das dicht gewobene Farbgeflecht eindringe, umso stärker
erscheint mir die Berührung im Winter ein Schlüsselbild im
Werk des Schweizer Künstlers Martin Disler zu sein. Doch
ıst nicht jedes seiner Bilder «Schlüssel», Hinweis auf einen
fortwährend eruptiven Bilderstrom, den es für den
Betrachter zu erschliessen gilt? Diese und ähnliche Fragen
werden bezeichnenderweise ausgelöst, wenn man sich auf
die «Aussage» dieses Bildes einlässt, sich in den Tiefensog
der darin gleichermassen aufgewühlten und sedimentierten
Energetik vertieft.
1987 gelangt das ım Vorjahr entstandene Gemälde als
Geschenk der Schweizerischen Kreditanstalt in die Samm-
lung des Kunsthauses, die bislang nur zwei frühere
Gemälde sowie Zeichnungen des Künstlers mit einschloss.
Dies im selben Jahr, wie Martin Disler den Preis für Junge
Schweizer Kunst der Zürcher Kunstgesellschaft zuge-
sprochen erhält! und bereits die damit verbundene Einzel-
ausstellung für Januar 1988 geplant wird. Anlässlich der
Vorbereitungen dazu mit Martin Disler vor dessen Ölbild
Berührung im Winter in der Sammlung stehend, führt uns
die unmittelbare Nachbarschaft zur machtvollen, zweitei-
ligen Skulptur Doppelstäck Dolomit von Ulrich Rückriem zu
merkwürdigen Beobachtungen: Die teils roh gehauenen,
teils blank geschliffenen Flächen der Steinskulptur
scheinen die vorherrschenden Farben des Gemäldes von
Martin Disler zu reflektieren; das Graugrün des Dolomits
schimmert - je nach mineralischen Einschlüssen, natür-
licher Verfärbung des Steins oder Lichteinfall - eher bräun-
lich, bläulich oder in einem erstaunlich starken Rotton. In
Wirklichkeit jedoch verhält es sich gerade umgekehrt:
Dislers «Winterbild» reflektiert die Gesteinsformationen
und deren farbige Brechungen, wie er sie in der Umgebung
seines Engadiner Ateliers in Samedan tagtäglich erfahren
kann und sie sich, gleichsam «beschleunigt» durch den
Malakt des Künstlers, auf der Bildfläche festsetzen. Diese
Reflexion ist im vorleigenden Bild eine doppelte, indem
der Künstler das Kolorit im dichten Schichtengefüge der
Slfarbe verstärkt, ja stellenweise fast mit reinen Farben