Volltext: Jahresbericht 1988 (1988)

Die Werkauswahl, die eine Zeitspanne von über 30 
Jahren umfasste, war weitestgehend mit dem Künstler 
selbst verabredet worden, der seinem eigenen Werk jene 
kritische Distanz des «Konzeptualisten» entgegenbringt, 
um eine solche stringent treffen zu können. Die Auswahl 
bot insofern Neues, als erstmals in grösserem Umfang 
Einzelwerke und Werkgruppen bis Mitte der sechziger 
Jahre miteingeschlossen und für die gesamte Folgezeit 
bestimmte Schaffensperioden akzentuiert wurden. Damit 
sollte für den Betrachter, der begrenzte Teile des jeweils 
aktuellen malerischen Schaffens 1975 und 1981 in der 
Berner Kunsthalle gesehen haben mag, die erstaunliche 
Vielfältigkeit eines Künstlers im bildnerischen Denken 
erfahrbar werden, dessen Namen sich den meisten 
ausschliesslich mit «Strichmännchen» oder «Zeichen 
einer primitiven Zivilisation» verbunden hatte. 
Der Grundriss der Ausstellungsarchitektur, auf einen 
eigens für Zürch entwickelten Entwurf des Künstlers 
zurückgehend, leitete den Besucher in mäanderartig sich 
öffnenden Räumen chronologisch durch die Bildwelten 
Pencks, die sich jeweils wiederkehrenden Themen im Werk 
zwangslos zuordnen liessen: Von den frühen pastosen 
Gemälden, die die Auseinandersetzung des jungen Ralf 
Winkler mit Rembrandt und Picasso wiederspiegeln, über 
die von ihm sogenannten «System»- und «Weltbilder» 
Mitte der sechziger Jahre, zu den berühmtgewordenen 
«Standarts» am Ende des Dezenniums. Diesen folgten 
die explosiv gestischen oder auch silhouettenhaft 
zefassten, meist auf schwarz-weiss-Kontraste reduzierten 
zrossformatigen Gemälde, die der Künstler mit dem Pseu- 
donym «Mike Hammer» und darauf «T.M.» verband, die 
°xpressiv farbige, figurative «Chamäleon»-Serie und 
schliesslich die in England entstandenen, eher malerischen 
Ilbilder, die zahlreiche Elemente der einmal gefundenen 
Bildsprache erneut variierten. 
Die Ausstellung wurde von rund 20000 Personen 
desucht und in der Fachpresse sehr positiv aufgenommen. 
Karl Geiser 
Nach über dreissig Jahren war das Werk von Karl Geiser 
(1898-1957) endlich wieder im Überblick zu sehen und 
somit künstlerisch und kunsthistorisch überprüfbar. Die 
Werkliste umfasste 72 Bronze- und Gipsplastiken, die auf 
Podesten zusammengezogen, sich chronologisch und 
thematisch wie Inseln im Saal gruppierten, gleichzeitig 
aber auch — Geisers Art, seine Stücke aufzustellen, nach- 
empfunden — Atelieratmosphäre evozierten. Eine Aus- 
wahl aus Geisers einzigartigem Radierungswerk führte 
die Ausstellung ein und setzte sich mit Modellstudien und 
den Zeichnungsserien «Paris» und «Marseille» fort. Erst- 
mals wurde das der Schweizerischen Stiftung für die 
Photographie überlassene Photoarchiv Geisers ausge- 
wertet, die wie die Zeichnungen einerseits Verbindungen 
zur Bildhauerei aufweisen, im wesentlichen jedoch als 
autonomer künstlerischer Ausdruck zu überzeugen ver- 
mögen (siehe Katalogbeitrag zur Photographie von Rein- 
hold Hohl). Die Zusammenarbeit mit dem Nachlass- 
Betreuer Felix Kohn, mit dem Schweizerischen Institut für 
Kunstwissenschaft (insbesondere mit Urs Hobi), mit den 
Geiser-Kennern Hans Naef und Niklaus Morgenthaler 
5escherte uns nicht nur alle erwünschten Leihgaben (sogar 
die beiden «Berner Gruppen»), sie erlaubte die Publikation 
eines Katalogs, in dem Geisers Werk endlich über die 
Ausstellung hinaus wieder dokumentiert ist. Dass im 
Limmat-Verlag gleichzeitig die Biographie «Der Mann mit 
der Hand im Auge. Die Lebensgeschichte von Karl Geiser» 
von Jan Morgenthaler erschien, bedeutete einen weiteren 
Glücksfall. Der wohl wichtigste Schweizer Bildhauer der 
Zwischenkriegszeit, der in nicht unproblematischer Weise 
am «realistischen Bild des Menschen» festhielt, kehrte — 
von einigem Effort begleitet und mit eigener Ausstrahlung 
in eine überaus interessierte Kunstöffentlichkeit zurück. 
Egon Schiele und seine Zeit 
Aus der Sammlung Leobold, Wien 
Das Kunsthaus hatte schon längere Zeit den Wunsch, 
eine Ausstellung des österreichischen Malers und Zeich- 
ners Egon Schiele (1890-1918), der bereits zu seinen Leb- 
zeiten in unserem Haus ausgestellt hatte, zu veranstalten. 
Seit einer ersten Information über österreichische Kunst 
1958 in der Kunsthalle Bern war nicht mehr viel gesche-
	        
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