Volltext: Jahresbericht 1988 (1988)

Von den restaurierten und neu aufgelegten Altmeistern 
wurden 150 Zeichnungen der Zürcher Schule (16.18. Jahr- 
hundert) wissenschaftlich bearbeitet. Die gesicherte Prove- 
nienz aus altzürcherischem Familienbesitz erlaubte in den 
meisten Fällen eine zweifelsfreie Zuschreibung. Durch die 
erneuerte, ansprechende Präsentation kommt die künst- 
lerische Qualität vieler Blätter jetzt erst richtig zum 
Ausdruck. Die entstandenen Verzögerungen in Ausleih- 
und Benutzerverkehr nötigen uns, die Inventarisierung zu 
beschleunigen und mit Gründlichkeit nur bei solchen 
Beständen vorzugehen, die für eine Publikation vorbereitet 
werden. 
Die Volkshochschulklasse von Frau Irene Meier 
widmete sich der Druckgraphik von Toulouse-Lautrec; 
der Abendkurs von Frau Dr. Gagel (Schule für Gestaltung) 
zur Kunst der Frauen vom 18.20. Jahrhundert vertiefte 
die Fragenstellungen zu diesem aktuellen Thema, das vor 
hochrangigen Werken in unserer Sammlung zu anre- 
genden Diskussionen Anlass gab. 
Auch auswärtige Fachkollegen haben durch ihre 
fundierten Kommentare zu publizierten Leihgaben 
wesentliche Beiträge zur Erforschung unserer Bestände 
geleistet. Frau Dr. Vibeke Knudsen aus dem Kupferstich- 
kabinett des Statens Museum Kopenhagen zentrierte ihre 
Füssli-Zeichnungen-Ausstellung um den «Bogenspanner» 
(Schiff 1480), dessen antithetische Bewegungsstruktur 
(Aggression/Angst) sie in vielen Hauptwerken unserer 
Sammlung als typisches Verhaltensmuster Füsslischer- 
Figuren aufgedeckt hat. — Ohne die gesammelten druck- 
graphischen Werke von Heinrich Lips, ein Kleinod inner- 
halb unseres Bestandes an Zürcher Künstlern um 1800, 
wäre nach den Worten von Dr. Joachim Kruse, Direktor der 
Kunstsammlungen der Veste Coburg und Autor des ersten 
umfassenden Ausstellungskatalogs zum graphischen Werk 
von Lips, eine wissenschaftliche Bearbeitung der über 100 
Druckgraphiken im Coburger Kupferstichkabinett nicht 
denkbar gewesen, die im Sommer 1989 auf der Veste neben 
Leihgaben zu sehen sein werden. Uns kommt ausser der 
Beschreibung der Stiche (überwiegend Porträts von Persön- 
lichkeiten der Goethe-Zeit) auch die Erschliessung der 
Lips-Zeichnungen zugute, die wegen der häufigen 
Verwechslungen mit Werken von Jakob Lips aus Birmens- 
dorf zu falschen Zuschreibungen verleiten. BvW 
VIDEOTHEK 
Für unsere seit 1980 auf rund 300 Videobänder ange- 
wachsene Sammlung haben wir ausser einigen Dokumen- 
tationsbändern vor allem Werke von jungen Schweizern 
und von amerikanischen Künstlern angekauft. In 
Hanspeter Ammanns Bändern geht es immer wieder um 
die Begegnung mit Menschen. Thema des Videos «Gegen 
Gefühlsdebilität» zum Beispiel ist die eigene Wahrneh- 
mung und die Darstellung dieser Wahrnehmung. Dazu 
gehört, dass die Bilder nicht linear narrativ, nach gängigen 
Strukturen oder Gesetzen montiert werden, sondern in der 
Weise aneinandergereiht sind, dass sie der «Montage- 
Technik» der Erinnerung entsprechen. Die 1961 geborene, 
heute in Genf lebende Marie-Jose Burki hat für viele ihrer 
Bänder die Metapher des Elefanten gewählt. «Celui qui a vu 
passer les €lephants blancs» ist eine Arbeit über das 
Fassungsvermögen des Gedächtnisses und sein Funktio- 
nieren in der heutigen Bilderflut sowie über die Gleichzei- 
tigkeit der verschiedenen Ebenen und Räume: «Den 
weissen Elefanten beim Vorbeigehen zu sehen, heisst so 
viel, wie dem vorüberwehenden Wind zuzuschauen: 
einem Wind aus Bildern, in denen die Geschwindigkeit 
mit dem Gedächtnis in Konkurrenz tritt.» (M.J. Burki) 
Von der Amerikanerin Dara Birnbaum erwarben wir das 
dritte Band ihrer auf fünf Teile angelegten «Damnation of 
Faust». Es zeigt Szenen eines New Yorker Spielplatzes und 
seiner Zerstörung, während zwei Teenager sich an ihre 
Vergangenheit erinnern, sowie Sequenzen aus der Bürger- 
rechtsbewegung und studentischen Protesten in Frankreich 
und China. Dara Birnbaum stellt die komplexen Bezie- 
hungen zwischen individueller und gesellschaftlicher 
Erfahrung zur Diskussion und transformiert persönliche 
Erinnerungen in ein kollektives Bewusstsein. 
Der in New York lebende Spanier Francesc Torres 
untersucht anhand eines vom Krieg zerstörten Gebietes 
in Spanien und eines im Frieden niedergerissenen Hoch- 
hausviertels in New York die Grenzlinie zwischen dem 
Zustand des Krieges und dem des Friedens. Die Resultate 
sind sehr ähnlich; folgerichtig stellt das Band die Frage 
nach einer Definition von Frieden in hochentwickelten, 
von Konkurrenz geprägten Gesellschaften.
	        
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