SAMMLUNG
Wie in den vergangenen Jahren, so erweist sich auch im
Berichtsjahr der Zuwachs, den das Kunsthaus von privater
Seite hat entgegennehmen können, als weitaus gewichtiger
als die aus eigenen Mitteln getätigten Erwerbungen. Wobei
bei dieser Feststellung nicht allein eine materielle Wertung
ım Vordergrund steht: besonderes Gewicht kommt den
diesjährigen Schenkungen zu, weil sie sich in hervorra-
gender Weise in die Bestände des Kunsthauses einfügen
und diese in erwünschtem Masse ergänzen.
In einem Fall handelt es sich nicht um eine Einfügung,
sondern um ein Rückfinden. Dank der Grosszügigkeit der
Sophie und Karl Binding Stiftung konnte die Rubens-
Skizze «Orpheus und Eurydike», die 1985 aus der Ruzicka-
Stiftung entwendet wurde, wieder in die Sammlung inte-
griert werden. Die kleinformatige Holztafel war Ende 1988
wieder aufgetaucht. Die verständnisvolle Haltung der
«Zürich»-Versicherungsgesellschaft, die das Werk nach
dem Diebstahl vergütet hatte, ermöglichte der Sophie und
Karl Binding Stiftung den Rückkauf. Die Zürcher Kunstge-
sellschaft wie auch die Ruzicka-Stiftung danken Herrn
Dr. Karl Binding umd dem Stiftungsrat mit den Gefühlen
des Dankes verbindet sich grosse Freude über die Rückkehr
des vier Jahre lang schmerzlich vermissten malerischen
Kleinods. Es darf heute festgestellt werden, dass Rubens‘
Vertretung in der Ruzicka-Stiftung — wenige Monate nach
dem erwähnten Diebstahl fiel dessen Porträt Philipps IV.
einem Brandanschlag zum Opfer — gegenüber dem
ursprünglichen Bestand zwar verändert, qualitativ jedoch
ebenbürtig wiederhergestellt ist. Ein kleiner Restbetrag, der
aus den Versicherungsleistungen übriggeblieben ist,
konnte zum Erwerb des «Selbstbildnis mit Geige» von
Johannes Lingelbach verwendet werden. In grosszügiger
Weise hat Frau Gertrud Ruzicka-Frei mit einem Beitrag den
Ankauf ermöglicht. Auch ihr sei herzlich dafür gedankt.
Weltweit stand das Jahr 1989 im Zeichen des 150-Jahr-
Jubiläums des Mediums Photographie. Dass dieses Jubi-
läum auch im Kunsthaus bleibende Spuren hinterlassen
hat, ist insbesondere der Marc Rich & Co. Holding AG und
der Rich-Stiftung in Zug zu verdanken. Durch die Schen-
kung von 74 Photographien und 3 Portfolios hat die im
Entstehen begriffene Photosammlung des Kunsthauses in
bedeutendem Masse an Kohärenz gewonnen. Die zuvor
isolierten Werkgruppen —photographische Werke aus dem
Umkreis von Dada, die Brancusi-Photos aus der Schen-
kung Giedion, Photoarbeiten zeitgenössischer Künstler —
haben mit der Photosammlung Marc Rich ein verbin-
dendes Gerüst erhalten, das den erwünschten Ausbau der
Photobestände in weit sinnvollerer Weise als zuvor ermög-
licht. Dem Schenkgeber sowie Herrn Kaspar Fleischmann,
der in dieser Sache eine wertvolle Vermittlerrolle einge-
nommen hat, sei an dieser Stelle herzlich gedankt.
Zwei Gemälde aus der unmittelbaren Nachkriegszeit
runden unsere diesbezüglichen Bestände in hervorra-
gender Weise ab. Herr und Frau Dr. Franz und Pia Meyer
haben der Vereinigung Zürcher Kunstfreunde von Serge
Poliakoff ein Frühwerk, nämlich «Composition en bleu»
von 1949, geschenkt, ein Bild, das die Vertretung dieses
Künstlers im Kunsthaus vielschichtiger werden lässt: das
einzige Bild des Künstlers, das sich seit längerer Zeit in un-
serer Sammlung befindet, stammt aus dem Jahre 1955 und
markiert dessen reife Schaffensphase.
Als Geschenk von Dr. Hanspeter Bruderer konnte das
Bild «White Writing», 1951, von Mark Tobey in unsere
Bestände integriert werden. Tobey war bislang nicht
vertreten. Um so erfreulicher ist es, dass in unserer bedeu-
tenden Gruppe Iyrisch abstrakter Malerei der 50er Jahre
Mark Tobey nun mit einem wichtigen und charakteristi-
schen Werk gezeigt werden kann. Auch wenn die gegenwär-
tigen räumlichen Verhältnisse immer wieder dazu
zwingen, einzelne Werkgruppen in den Sälen ungebühr-
lich zu reduzieren — zurzeit gehört die Malerei der Nach-
kriegszeit zu diesen Beständen —, so ist die Freude und
Dankbarkeit über die beiden Neueingänge doch nicht
weniger gross.
Grösster Dank gebührt sodann der Vereinigung Zürcher
Kunstfreunde für den Erwerb des Diptychons «Das
Atelier», 1980, von Georg Baselitz. Damit ist dieser
Künstler, der wohl zu den wichtigsten unserer Zeit gehört,
mit einem seiner Hauptwerke würdig vertreten. Dieser
Beschluss ist der Generalversammlung unseres Gönnerver-
eins um so höher anzurechnen, als der Preis des Werkes ihre
zurzeit vorhandenen Mittel bei weitem überstiegen