Volltext: Jahresbericht 1995 (1995)

AUSSTELLUNGEN 
Zeichen & Wunder 
Niko Pirosmani (1862-1918) 
und die Kunst der Gegenwart 
Dass die dreissig Bilder des georgischen Malers Niko 
Pirosmani in Zürich und anschliessend in Santiago de 
Compostela gezeigt werden konnten, erschien den Betei- 
ligten selber in einem gewissen Moment als Wunder. Die 
Verhandlungen verliefen wegen der eingeschränkten 
Kommunikationsmöglichkeiten mit Georgien schon 
schwierig genug. Dann brach mitten in der Vorberei- 
tungszeit ein Bürgerkrieg aus, der das Ansinnen, die im 
Westen viel zu wenig bekannten Bilder des «Douanier 
Rousseau des Ostens» zusammen mit Kunst unserer 
Gegenwart zu zeigen, für einige Monate als irreal erschei- 
nen liess. 
Als die Bilder in Begleitung des Restaurators des 
Staatlichen Museums der Kunst, Tbilisi, in Zürich 
ankamen, war noch genug Zeit, um sie - wie mit den 
georgischen Partnern vereinbart — unter seiner Aufsicht 
hier im Kunsthaus zu restaurieren. Eine Aktion, die dank 
der finanziellen Unterstützung der Fondation Nestle 
pour l’Art ausgeführt wurde. 
Im Bührle-Saal wurden die Bilder des Autodidakten 
Pirosmani, der um die Jahrhundertwende für Essen 
und Unterkunft seine eindringlichen Bilder von den 
grundsätzlichen Dingen, von Menschen, Tieren, Gela- 
gen und Landschaften malte, in vier separaten kleinen 
Räumen gezeigt. Diese innen grau gestrichenen «Pavil- 
lons» waren so in den Ausstellungsraum verteilt, dass die 
zum Teil raumgreifenden Arbeiten der Gegenwarts- 
künstler sich darum herum in natürlichem Wechsel aus- 
breiten konnten. 
Einige Künstler und Künstlerinnen präsentierten 
sich ebenfalls in separat abgetrennten Räumen, so etwa 
Ilya Kabakov, der einen gespensterhaften Korridor in 
einer sowjetischen Klinik simulierte, bei dem man 
Zeuge eines hochfliegenden Patientengesprächs wurde. 
Pipilotti Rists hypnotische Multimediainstallation 
«Search WOLKEN/SUCH Clouds (ein elektronischer 
Heiratsantrag)» zog gewisse Besucher so in den Bann, 
dass sie sich für längere Zeit am Boden im Halbdunkeln 
niederliessen. 
Es entspricht einer Tendenz der Kunst heute, keine 
Berührungsangst vor theatralischen Effekten zu haben, 
ja diese bewusst als Teil unserer von massenmedialen 
Spektakeln bestimmten Welt in künstlerischem Zusam- 
menhang wirksam einzusetzen. So richtete der junge ita- 
lienische Künstler Mario Airö ein an das «Lightning 
Field» von Walter de Maria anspielendes «Blitzzimmer» 
ein. Im Finstern entluden sich, ausgelöst durch den Ein- 
tritt des Betrachters, einfache Fotoblitze, welche von der 
Decke hängende, dürre Äste zum Leuchten brachten. 
Auch Toni Oursler spielte auf das anrührende Potential 
an, das eine elektronisch simulierte menschliche Exi- 
stenz im Kunstraum entwickeln kann. 
Viele dieser Künstler und Künstlerinnen, so auch 
Robert Gober, Lily van der Stokker, Stephan Balkenhol, 
Cindy Sherman, Roman Signer oder Katharina Fritsch, 
hatten für «Zeichen & Wunder» neue Arbeiten gemacht. 
Bei den Vorbereitungen zur Ausstellung fanden inten- 
sive Gespräche über die «Aktualität» von Niko Pirosmani 
statt, was ım Katalog in Form von zahlreichen Künst- 
ler-Statements seinen Niederschlag gefunden hat. Als 
verbindende Kraft darf wohl die Tatsache gewertet 
werden, dass Pirosmani sowie die hier versammelten 
Künstler in ihrer Arbeit das Überindividuelle suchen 
und ihre Kunst eine betonte Direktheit zum Betrachter 
hin aufbaut. 
In Santiago de Compostela wurde «Zeichen & Wun- 
der» im ganz neu erstellten, vom Architekten Alvaro Siza 
entworfenen «Centro Galego de Arte Contemporanea» 
gezeigt. Diesmal ohne Einbauten für Pirosmani, was 
eine noch stärkere Konfrontation seiner Bilder mit den 
Werken der Gegenwartskunst zur Folge hatte. 
BC
	        
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