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Und was wir hier bewundern ist derselbe Geist, die
reine Kraft, die in der heutigen neuen Bewegung in der
Kunst, nur in Kleid und Gebärden unserer Zeit, wieder in
Erscheinung tritt.
Es ist eine uralte, nun neu siegende Wahrheit.
Wir begegnen hier nicht den unmittelbaren Vorstellungs
bildern der natürlichen Dinge, sondern eigenen Phantasie
bildern, denn die künstlerische Schöpfung ist, ob gewollt
oder nicht, der treue Ausdruck der eigenen Bewusstseins
inhalte des Künstlers. »Das klassizistische Ideal, das uns
seit dem Beginn der Renaissance durch eine über mehrere
Jahrhunderte sich erstreckende Gewöhnung anerzogen ist
und das in der naturwahren Wiedergabe des gesehenen Ob
jektes einen Gipfel künstlerischer Vollendung erblickt, hat
es mit sich gebracht, dass in unserer Zeit auch die grosse
Masse geneigt ist, den Grad der Naturwahrheit als einen
Masstab für die Höhe des künstlerischen Schaffens sowohl
in der ganzen Kunstgeschichte als in der Leistung des ein
zelnen Künstlers zu sehen.«
Die neue Bewegung in der Kunst bedeutet ohne Zweifel
eine grosse Kunstwende.
Es ist nun eine Tragikomödie, zu sehen, wie sich die
Kunst ins Leben und das Leben in die Kunst sehnt.
Da gibt es Berge von altem Schutt wegzuräumen, und
das tun nur wenige Menschen gerne, der Krieg aber hat
viele dazu gezwungen. Darum auch Krieg um die Kunst.
Wir wissen, dass unsere Ausstellung zu diesen Worten
bescheidener Anfang ist. Die neue Bewegung wird ihre
ganze Kraft auf dem Bilde und der Ausstellungsplastik nie
zeigen können. Wir begegnen auch deshalb vielen Arbeiten
auf Leinwand, die im eigentlichen Sinne keine Tafelbilder
mehr sind und sein wollen, sondern Pfeile der Sehnsucht,
neue Ideen auszuführen in besserem Material.
Wir sehnen uns vor allem nach dem neuen Theater,
nach neuen grossen Bauten, die unsere Freude am Leben
und unsere tiefe Liebe zur Kunst in die Himmel stossen.