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empfundenen Sittenfchilde-
rungen eines Hogarth ge
nießen und bewundern.
Dann auch wird klar er
kennbar fein, was fich heute
nur flüfternd andeuten läßt:
daß nämlich diefer Grosz
den preußifch - proteftanti-
fchen Geift kulturell ftärker
uertritt, als dies feine Mit
welt je eingeftehen wird.
Bei der tiberfülle zeichne-
rifcher Arbeiten, die Grosz
in der leßten Dekade ge-
fchaffen hat, find natürlich
nicht alle Sachen gleich
wertig. Tn den beften aber
erkennt man eine fo difzi-
plinierte und präzife Zweck-
feßung des Ausdrucksmit
tels, das in der knappften
Form die größte Wirkung
findet, daß man hier uon
einer preußifchen Tradition
im beften Sinne des Wortes
fprechen kann, lind in dem
bittern Kampf, den Grosz
gerade mit dem ihm als Auswuchs erfcheinenden und entarteten
„preußifchen Geift“ des militariftifchen Wachtmeiftertums, der
brutalen Gewaltherrfchaft und der Monokel-Fhyfiognomie der
finnlos zur Faffade degenerierten Form führte, liegt vielleicht die
ftärkfte, ihm unbewußte Betonung feines eignen, rein idealen
Preußentums.
Hier liegt wahrfcheinlich auch der Schlüffel zu feiner — mehr
gefühlsmäßigen als logifchen — Affinität zu dem mit negatiu-
preußifchen Hörzeichen uerfehenen und mit der ftraffen Difzipli-
niertheit und Klaffeneinteilung arbeitenden Sozialismus, zu dem
ihn allerdings noch ein andrer XUefenszug hinführen mußte. Grosz
ift als Künftler eine fo ftark ariftokratifch und indiuidualiftifch be
tonte TTatur, daß ihm die fozialiftifch-kollektiuiftifche Ginftellung
notwendige Balancierftange werden mußte.
Grosz ift der ewig Proteftierende, der fich gegen die fentimentale
Derlogenheit, das unfentimentale Ausbeutertum und die grunzende
Wolluft der Mitwelt aufbäumt und fie uoll Bitterkeit bekämpft. 6r
bekundet eine geradezu fanatifche Religiofität und den brennenden
Idealismus eines weißglühenden Propheten- und Bekennertums.