Volltext: Félix Vallotton - 1865-1925

Diese Wahrheit liegt im Ganzen. Von den Einzelheiten ist jede 
da und hält stand, wenn der Blick auf ihr ruht, um unauffällig an 
ihren Platz im Bild zurückzutreten, wenn er sie losläßt. Die Ele- 
mente der Vallotton’schen Bilder zerfallen nicht in strahlende So- 
listen und farblose Statisten. Sie leben, auch wenn sie an sich sehr 
heftig aneinander stoßen, in stählern fest geschlossenem, oder in 
mehr entspannt schwebendem Gleichgewicht der sinnlichen und 
seelischen Kräfte, die sie in sich bergen oder im Betrachter an- 
sprechen. 
Die Malerei von Vallotton ist keinesweg unsinnlich. Zarte Blüten- 
blätter, ein bunter Teller, ein chinesischer Topf, eine Frucht, ein 
Trinkglas, ein Stück Seide in einem Stilleben locken mit ver- 
führerischer Stofflichkeit. Die feuchte Schwüle eines Pariser Juni- 
tages im Garten des Luxembourg, der goldene Schleier über den 
Hügelzügen der schweizerischen Hochebene, das tödlich starre Licht 
über südlicher Landschaft, der frische Meerwind und das Spiel von 
Licht und Wasser an südlichen und nördlichen Küsten sind spür- 
bar gegenwärtig. Nicht zu reden vom Glanz oder der weichen Fülle 
der Haare und der Haut seiner Akte. Wie schmiegen im engen 
Baderaum die Frauen, rosig erwärmt, sich in süßem Nichtstun, und 
wie ganz anders strafft das Spiel in freier Luft und Flut die Körper 
der drei Frauen mit dem kleinen Mädchen. 
Wenn aber eine Hand nach solchen Dingen greifen oder auch 
nur ein Auge den vermuteten Reiz des „metier“ kosten möchte, 
zieht das Bild sich zurück, wird bloße Fläche, ohne Schmelz und 
Selbstgefälligkeit, dumpf und rauh, fast nur Anstrich. 
Das Bild bleibt Bild: Täuschung: nicht für das Auge, dessen 
Welt eben das Bild ist, doch für den Wunsch nach dem Besitz 
der Dinge in ihrer eigenen Existenz, oder des Bildes nur als Malerei. 
Vallotton bannt in seinen Bildern zugleich Wesen und Schein der 
Dinge; indem er in strenger Wahl als wesentlich erkannte Merkmale 
der Dinge, nicht ihre Erscheinung, malt. 
W. Wartmann 
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