Wir Träger der dadaistischen Bewegung versuchen nun der 
Zeit einen Spiegel vorzuhalten, daß die Zeit deutlich die Span# 
nungen sieht. Ich erinnere an das Lied: »Und wenn du denkst, 
der Mond geht unter, er geht nicht unter, es scheint bloß so.« 
Und nun erkläre ich, warum gerade wir, die wir nicht Dada# 
isten sind, am meisten befähigt sind, Träger der dadaistischen 
Bewegung zu sein. 
Wir haben uns hier zufällig zusammengefunden. Wie das so 
kommt. Aber es gibt doch keine Zufälle. Eine Tür kann zu# 
fallen, aber selbst das ist kein Zufall, sondern eine bewußte 
Tat der Tür. Nichts ist Zufall. Wir fanden uns, nachdem wir 
uns gefunden hatten, in gemeinsamer Arbeit. Unser Publikum 
gab der Bewegung die Richtung. Wir spiegelten und waren 
das Echo des vor uns in dadaistischer Begeisterung lärmenden 
Publikums. Und nun erkennen Sie, weshalb wir den Dadais# 
mus nicht wollen. Der Spiegel, der Dein wertes Antlitz empört 
zurückweist und hinwegspiegelt, dieser Spiegel will Dich nicht, 
er will das Gegenteil. Und wir wollen den Stil. Wir spiegeln 
dada, weil wir den Stil wollen. Darum sind wir die Träger der 
dadaistischen Bewegung. Aus Liebe zum Stil setzen wir unsere 
ganze Kraft ein für die dadaistische Bewegung. 
Unser Erscheinen in Holland glich einem gewaltigen, un# 
erhörten Siegeszuge. In der Zeit, als die Franzosen mit Ka# 
nonen und Tanks das Ruhrgebiet besetzten, besetzten wir das 
künstlerische Holland mit dada. Die Zeitungen schreiben 
endlose Dadaartikel und kleine Abhandlungen über Ruhr 
und Reparation. Während die Franzosen großen Widerstand 
in der Ruhr fanden, siegte dada in Holland ohne Widerstand. 
Denn der enorme Widerstand unseres Publikums ist dada 
und deshalb entkräftet. Dieser Widerstand ist »unser« Kampf# 
mittel. Die Presse, die einsichtiger als die Masse ist, hat das 
erkannt und ist mit fliegenden Fahnen zu uns übergegangen. 
Sie bietet uns Widerstand, indem sie ihre Begeisterung über 
die dadaistische Bewegung unverhohlen ausdrückt. In 24 Stun# 
den lernte ganz Holland das Wort »dada«. Jeder kann es jetzt, 
jeder weiß eine Nuance des Wortes, wie er es blöde schreien 
kann, so blöde wie möglich. Das ist ein enormer Erfolg. Der 
sonst so würdig scheinende moderne Kulturmensch erkennt 
plötzlich, wie blöde er sein kann, und wie blöde er also im 
Grunde seiner Seele ist. Das ist ein enormer Erfolg. Denn 
nun sieht der Kulturmensch plötzlich, daß seine große Kultur 
vielleicht gar nicht so groß ist, wie sie aussieht. Es war ein ge# 
waltiger Moment in Utrecht, als plötzlich das Publikum auf# 
hörte, Publikum zu sein. Eine Bewegung wie Würmer durch# 
wogte den Leichnam des verschiedenen Publikums. Auf die
	        
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