Volltext: Neue Jugend (1-5;7-11/12)

3. Die Erklärung. 
Was den Alten einst eine Farbe, empfindet er im Heute 
als tausend schillernde Nüancen, und die Klänge, die er 
ersinnt, sind Spiele von urtausend Spiegellichtern und Kalei 
doskopen —; sein Gewand schillert und glitzert wie tau 
besprengt. All das aus den Tiefen heraufentwickelt. 
Ein Wort bedeutet ihm mehr, als den Ton C oder gis 
daraufzukleben, wo die traditionelle Unkompliziertheit eine 
Viertelnote malte, hüpft heut ein Sechszehntel, das logisch 
entwickelt und fein ergrübelt ist. 
Für den Alltag ist dies Spielerei — (wenn es überhaupt 
bemerkt ist). Dem Hinhorcher aber entgeht kein feinstes 
Pünktchen. 
An Richard Strauß ist alles elektrisch, seine Musik den 
Nervenströmungen unserer Zeit angepaßt, den Aufreizungen 
unserer Sinne innerst verwandt. Der Ausdruck ist verfeinert, 
in einem Gesicht sind Millionen neue verästelte Muskeln 
entdeckt worden; das ist es. Senkt Euch hinein. Eine (an 
sich) harmlose Achtzehntelpause ist bei ihm Kulturdokument. 
4. Das Erlebnis. 
Königliches Opernhaus. Berlin. Sontag 12 Uhr. Matinee. 
Heiliges Raunen im Raum. Alle fühlen: dies ist unwieder 
bringlich. Am Pult: Richard Straußi. Eben verrauschte 
Symphonia domestica. Man spürte eine Löwenpratze uner 
bittliche Wunden schlagen. Man erlebte den subtilen Witz 
eines unerhört Feinsinnigen. — Man wirft einen Blick 
aufs Programm . . .; wie . . .? Wie . . .?? Moz. . .? 
Anklopfen. Man sieht eine* hagere Gestalt die Musiker 
wie an Fäden ziehen. (Seidenfäden — ganz dünne — die 
auf das leiseste kaum geahnte Zucken reagieren.) 
G-moll Symphonie von Mozart. Man ist erfüllt von leiden 
schaftlicher Ehrfurcht. Das Orchester klingt zum Weinen' 
schön. Man weiß plötzlich nicht mehr — wo man ist. Der 
ganze Opernsaal sinkt zusammen. Und während wir die 
Augen schließen, steigt eine ganz andere Welt herauf. Die 
melancholische Heiterkeit und der spaßige Ernst des längst 
erstorbenen Rokoko. 
A u s k 1 a n g. 
Ein Mann geht durch den Grunewald. Für ihn lebt der 
See, spricht zu ihm. Aus Erde und Grün steigt ihm wohl 
Verständliches herauf. — Was ihm die Natur gewährt, gibt 
er uns ehrlich und in seiner Sprache weiter. Denn das ist 
End und Anfang eines wahren Künstlers: die Ehrlichkeit. 
Friedrich Holländer.
	        
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