Volltext: Neue Jugend (1-5;7-11/12)

»Durch!« — Dr. Georg Örtel, M. D. R.: »Schwert und Pflug, Krone und Kreuz.« — Professor 
C. Schillings: »Deutsch-Ostafrika bleibt Deutsch-Ostafrika.« — Georg Voß, Konservator der 
Kunstdenkmäler Thüringens: »Um die Schrecken des Krieges schneller zu beendigen, darf selbst 
das köstlichste alte Bauwerk geopfert werden.« — Thassilo von Scheffer: »Der Krieg hat uns 
endlich wieder einen Enthusiasmus gebracht, sorgen wir, daß er uns erhalten bleibe.« — Frau 
Elise von Delbrück: »Große Zeiten durchlebt, und dabei großen Persönlichkeiten nahe gestanden 
zu haben, ist eine Gnade von Gott.« W. H. 
Georg Trakl: „Sebastian im Traum* (Kurt Wolff Verlag). 
Des Knaben Trauer wird hervorgerufen durch unerfüllt gebliebenen Schönheitswunsch. Doch 
trennt er Ursache und Wirkung nicht und liebt so seine Trauer. 
Georg Trakl, lebend in Salzburgs Immergrün der Vergangenheit, dichtet des Knabentums schmerz 
hafte Süße. Wissend die Sterblichkeit jeder Erscheinung, jeder Blüte, Sonne, Frucht, Fäulnis und 
Saat, wird Verzückung ihm Blick und Träne, unsterblich das Lächeln, Lust, Geste und Tun. 
Nie wird der Geburt glasblaues Weh ihm getrübt und gebleicht von der ätzenden Zeit, von des 
Augenblicks Schleierwald, nie umnebelt vom Ziel. Weglos sind seine Wälder, ohne Häfen das 
Meer und der Mensch ohne Wohnung,- doch lautlos ziehn ihre Bahnen die Sterne, edel und weiß, 
kein Schwanken macht sie dem Menschen nahbar. 
Georg Trakl verbirgt sich nicht den Gestirnen, die stechend und bitter den Schwachen verscheuchen 
in die Höhlen, wo Begriffe, Systeme, Erfahrung, Ordnung das »Leben« erträglich machen, ~ 
die Menschen nicht. Er gibt sich preis dem hypnotischen Willen, zu welchem Erdengeruch und 
Sterneis verschmelzen. Schlafwandler, öffnet sich ihm der Sarg des Unerfüllten, drin Schimmel 
blüht auf geöffneten Lippen der Urnacht, wo Phosphor verklärt das Aas der Brüste Marias. Es 
starrt seine Seele in die Stürme der Einsamkeit: wohlriechendes Harz aus geblichenen Masten, 
entströmt seine Dichtung wächsernem Herzen. Wir fühlen sein Wort wie den maßlosen Blick 
einer Leiche,- schwarze Verlockung ins Grab die Berührung versagender Hände. Der Knabe Elis 
ist der tote Bruder des totgeborenen Engels Georg Trakl. Ihn küssend schaudert er zurück vor 
eigner Bestimmung unwirklichem Doppelgänger. Vor allem Geliebten schaudert sein früheres Leben. 
Ja: irdisches Leben, die bleierne Fata Morgana Edens, tönt herrisch und hart in den süßesten, 
mattesten Seufzern aller Zerschellten. Blumen und Düfte und zärtliche Liebe sind, um die gefräßi 
gen Särge grinsen zu machen. Aber Flüche, Mord/^Wahnsinn und berstende Adern zeugen, daß 
göttlich der Mensch und niemals zu töten ist. 
Dieser Dichter ertrug nicht die fatamorganaschwangere Erdenwüste: mit unendlicher Süße, einer 
Sprache gleich farbigen Quellen der Unterwelt, umwarben seine Gedichte, seine gedichtete Prosa 
<Rubine und Perlen aus der Seele blutschweißgerötetem See> seine große Geliebte: den Tod. Er 
fand ihn im Kriege. 
Doch nahm der Tod ihn nicht als Sklaven, gleich jenen, die, stets als Sklaven, den eifersüchtigen 
Kampf um die Gunst der Erde führen, des Todes häßlicher Feindin, der fetten Braut für Händ 
ler und Maschinen. Erhörung, nicht Vereitlung war der Tod ihm: er war ein Mensch und konnte 
darum »unter Menschen« nicht mehr leben. 
Wieland Herzfelde 
Verantwortlich für den gesamten Inhalt: Helmut Herzfeld, ßerlin-Charlottenburg. — Verlag: Neue Jugend, Berlin 
und Leipzig. — Gedruckt in der Hof-Buch» und »Steindruckerei von Dietsch '3D Brückner in Weimar. 
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