209
MITTEILUNGEN
Theodor Däubler: „Das Sternenkind“, Inselbücherei Nr. 188, Inselverlag 1916.
Däublers Lyrik wird meist falsch oder gar nickt verstanden. Man liest heute Gedichte mit der
Voraussetzung, daß sie nur in sidi beruhen, losgelöste Edelsteine, umfasserender Gestaltung
weder unter-, noch über-, nicht einmal eingeordnet/ daß sie beziehungslos sind: areligiös.
Däublers Gedicht ist nicht Edelstein: ist Urnebel oder Meteor. Alpha oder Omega seines
metaphysischen Werks/ Keim und Frucht des Kosmos. Urnebel: Stimmungen des Alls, aus
denen das Sein ersteht. »Die Fichte«, »Die Droschke«, »Katzen« und analoge Gedichte: Stim
mungen des Geistes, aus denen die Idee ersteht, verkörpert im Nordlicht, <Georg Müller
Verlag) der ungeheuren Prophezeihung vom Untergange der Materie. Die gegensätzliche Art
von Gedichten »Inder«, »Das Sternenkind«, »Millionen Nachtigallen schlagen« usw.: Meteoren!
Zeugen des Kosmos! Radien der Seele! Boten einer nahenden Lehre. »Der Mensch muß fliegen«,
sagt Däubler, sagt warum, nicht wie. Doch es wird kommen der Tag, da das »Nordlicht« ge
biert seinen Meister, der Däublers Worte erfüllt, der die Menschen zu fliegen zwingt.
Däublers lyrische Sprache ist wie die unterirdischen und astralen Kurven seines Geistes schwer
zugänglich. Sie ist neu, kühn, futuristisch, expressionistisch, — wenn man darunter nicht modern,
absichtlich, spitzfindig, krampfhaft versteht,- sie ist konservativ, traditionell, klassisch im Gegen
satz zu reaktionär, ideenlos, weimarisch. Erst dann wird man das »Sternenkind« fassen, wenn man
a 11 e Voreingenommenheit der Sprache, dem » Gedicht« gegenüber ausgeschaltet hat: Associationen,
Bildung, Mißtrauen, eigenen Stil, vor allem aber die demokratische Forderung des »gesunden Men
schenverstandes« der »Allgemeinverständlichkeit« und der zu diesem Zwecke abgelegten sprach
lichen Willkür. Dichtung ist Willkür! Niemanden kann man daher berechtigter Willkür nachsagen
als dem Dichter Theodor Däubler. Er verkündet den Willen, fordert die Wahl. Nur Sklaven wissen
vom Zufall. Nur Epigonen können zufällig zwei Worte nebeneinander setzen, nur Mittelmaß
braucht Bewußtheit zur Wahl, weil es in sich wahllos ist. Däublers Alitterationen ordnen die
unterschiedlichsten Begriffe der Idee ein, so wie »Deck- und Schutzfarben« die verschiedensten
Tiere und Pflanzen der Landschaft nachfärben. Er nimmt intuitiv die Wesenheit aller Erschei
nungen und Vorgänge unter einer feststehenden Perspektive wahr: sie vermitteln ihm Erkenntnis,
sie beweisen ihm seine intuitive Welterklärung. Und mit dem urverhängten Mittel der Sprache
formt er den Geist, den ihm die Sinne offenbaren: Seine Gedichte zeugen nicht von Beobachtung,
sondern von Wertung: Er legt das Wesen und die Beziehungen des Seins bloß. Sich hat er endgültig
überwunden, daher beschäftigt er sich nicht mit den Menschen, sondern beschäftigt sie mit ihrem,
der Tiere, Sterne, Winde, Blumen, des Meeres und des Turmes leuchtendem Kerne, dunklem Wollen.
Nicht liebt er das Leben, er liebt die entschleierte Mystik des Seins,- nicht speist er die Herzen, er
weckt die Seelen. Seine Sprache ist die der schlafenden Kinder, der Nilquellen, der Mondsichtigen—
die der Zungenredner, der singenden Kometen, der Gesteinigten, Verlästerten, zu Gottes Füßen
Gelagerten. Wieland Herzfelde
Die Zentralstelle „ Völkerrecht“. Deutsche Zentrale für dauernden Frieden und Völkerverständigung veranlaßt uns zum
Abdruck folgender erfreulichen Erklärung:
Nachdem der »Deutsche Nationalausschuß« und der »Unabhängige Ausschuß für einen deutschen Frieden« den gegen
wärtigen Zeitpunkt für geeignet gehalten haben, sich mit Kundgebungen zu Kriegszielen an die Öffentlichkeit zu wen
den, haben sich deutsche Männer und Frauen, die einen dauernden Frieden auf der Grundlage des Selbstbestimmungs
rechtes der Völker und einer neu einzuleitenden Verständigungspolitik erstreben, zu einer deutschen Zentrale für dauern
den Frieden unter dem Namen Zentralstelle »Völkerrecht« zusammengeschlossen.
Der Friede, der diesen Krieg beendigt, soll selbstverständlich nach der Auffassung der Zentralstelle die Freiheit des
deutschen Volkes, die Unabhängigkeit des Deutschen Reiches, die Unversehrtheit des deutschen Bodens, die Wahrung
der deutschen Interessen im Auslande und die Erhaltung der wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten des deutschen
Volkes sicherstellen/ aber er soll auch jede Gewähr der Dauer in sich tragen. Dazu ist erforderlich, daß er von allen
Beteiligten als eine befriedigende Ordnung ihrer internationalen Beziehungen anerkannt werden kann, daß er also nicht
die Unterlegenen durch gewaltsame Annexionen, durch Beeinträchtigung ihrer Selbstbestimmung oder durch andere
unerträgliche Bedingungen zur Vorbereitung eines Vergeltungskrieges nötigt, daß er zugleich wirksame Einrichtungen
schafft für friedliche Erledigung künftiger internationaler Streitigkeiten auf dem Wege geordneter Vermittlung oder