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an seiner Stelle sein. Denn ich kannte ihn. Er war ein Stier, der stündlich ge
schlachtet wurde. Die Presse schreibt, er hat bis zum Schluß Champagner ge
trunken. Er hat immer sein eigenes Blut geschmeckt — so verzweifelt war er, so
gehetzt — er sah niemanden hinter sich, immer getrieben, gestoßen, gepreßt, ge
würgt. Was wollten denn diese Liberalen, diese Metropoliten, diese Fürsten von
ihm. Er hat sich nach Sibirien gesehnt, er hat wollen die Menschen umbringen, so
bereit war er, sich ihren Wünschen zu opfern, ich weiß das. Und darum rufen ihn
alle einen Heiligen, aber keiner hat den Mut gehabt, mit ihm zu sprechen. Ihn
kameradschaftlich niederzuschlagen. Theater, Theater.
Was schert uns schließlich Rasputin?
Ich liebe ihn. Schert sich wer um mich? Darum gerade bin ich wir. Es ist so be
schwerlich, zu hassen, verschwenderisch, weiß man denn, was noch kommt!
Es wird nicht mehr viel kommen.
Es gibt ja doch keinen, der den Dreck auf sich nimmt, die Welt zu peitschen. Mit
einem Gott sich herumzuzerren, der die Menschen liebt. Das ist doch fürwahr
kein sauberes Geschäft.
Die Hölle wird immer fader. Einer nach dem anderen krepiert. Psychologie ana®
lysiert sich zu motorischer Kraft. Neandertal — du bist mein Freud.
Wir sind alle verloren, wenn nicht!
(Obwohl dieses Zeichen weh tut.)
Es wäre fein, damit zu schließen, daß dem Rasputin keiner geholfen hat. Sicher
hätte er den und sich umgebracht, vergewaltigt.
Denn wir, die Feinnervigen, die Europäisierten, Verstrickten von schärfer und
stechenderen Leuchten der Umwelt haben wenigstens noch etwas gegen ihn ein®
getauscht, ein kläglich flackerndes Wissen von unserem Zusammenbruch — bevor
die Flamme aus dem Wesen der Frau, von uns geschürt, uns frißt.
Joßannes Reineft