Volltext: Neue Jugend (1-5;7-11/12)

Stimmungen. 
Der Nebel rollte über die Häuser und überschüttete 
die kahlen Bäume mit seinem feuchten Staube, der sich an 
den Zweigen in Fetzen zerriß, um dann wieder zu einer 
einzigen kugelnden Masse zusammenzufließen. Dies war 
einige Tage vor dem Frühlingsanfang. — 
In einer Stube hing an der Wand ein großer bunter 
Kalender und an ihm sah man es geschrieben, wann das 
Frühjahr wieder einsetzen würde. Noch saß man hinter be 
schlagenen Scheiben am bellenden Ofen und rang danach, 
in sich die Schranke zu öffnen, welche eine freie Bewegung 
draußen verlangte. Mancher versuchte es doch, aller Kampf 
wurde gebrochen, und willenlos traten sie wieder in die 
Stube, deren Licht sie gipsern umschloß. Es war Früh 
lingsstimmung. — 
Bei allem diesem Druck, der auf den Menschen zu lasten 
schien, hörte man bloß eine alte Frau, im Winkel hinterm 
Ofen, eifrig Gebete hersagen, die nie zu enden schienen; 
ganz gleichförmig, wie das Rauschen eines Baches 
über kleine Steine fließt und dessen Laut auch nie heiser 
ausklingt, so surrte der Faden des Gebetes durch die 
Stube. — 
Er paßte gar nicht hinein, und man konnte kaum ver 
stehen, wie er sich unter dieser Schwere fortbewegen konnte. 
Dies hatten auch schon alle im Zimmer gefühlt, denn plötz 
lich sprach der Vater des Hauses zu der Frau hinterm Ofen: 
„Mutter, willst Du jetzt nicht lieber still sein, spar Dir doch 
besser das Gebet bis zur nächsten Wallfahrt auf.“ Nun 
schwieg die Frau, der Druck wurde immer schwerer, doch 
dachten alle an die nächste Wallfahrt; und dann war es 
Frühling 
Ein langer Zug zog wallend durch die grünen Felder in 
schwerem Schritt; aber bald, wenn er näher herankam, 
fragte man sich: „Wo ist denn der Ernst, wo die Festlich 
keit?“ Sie waren beide nicht da, denn unter dem Mantel 
der Feier sich zu bewegen ohne zu wollen,, ist etwas Un 
freiwilliges, und genau wie man die gezwungene Schnür- 
falte am Leibe der Frau durch die Kleider sieht, sio sah 
man hier die Lust zur ausgelassenen Bewegung in jedem 
Gesichte hervorleuchten. Man schien sich, während man 
Gebete sprach, zu fragen und zu sagen: „Ist dies nicht 
wieder wie in der dumpfen Stube? Dort mußten wir auch 
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