Volltext: Neue Jugend (1-5;7-11/12)

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Sonnet 
von Jean-Jacques. 
Wir fühlen oft zu grelle Farben 
In allen Dingen, welche sind, 
Als wäre alles in uns wieder Kind: 
Wie heiße Wünsche, welche starben, 
Wie Frauen, die wir einst umwarben, 
— Ihr Name ist ein Blumenwind — 
Wie Tage, welche Feste sind, 
Wie weite Felder voller Garben. 
Es heben dann die weißen Hände 
Die Blumen, die im Abend stehen, 
Es fallen dann die letzten Wände, 
Die nur die Trauer sind, als fände 
Der Wille einen Weg zum Gehen: 
Wir denken lächelnd an das Ende. 
Dämmerung. 
Der Regen fiel. Er fiel in langen lotrechten Strichen 
und spann um die Staat ein dichtes graues Netz. Er rauschte 
wie ein unterirdischer Strom, eintönig und andauernd. Es 
hörte sich an wie eine sonderbare, traurige Melodie, die 
gar kein Ende nahm. 
Der Gedanke daran war beklemmend, peinigend, atem 
beraubend ! 
Im Hause duftete es nach Kränzen, geweihtem Qualm 
und niedergebrannten Kerzen: soeben hatte man jemanden 
hinausgetragen, in einem hübschen hellgrauen Sarg, auf 
den der Regen wie gegen einen leeren Raum trommelte. 
Man hätte meinen können, er wollte die Leidtragenden ver 
höhnen. 
Die Tote war ein junges Mädchen. Ich hatte sie nie 
gesehen; aber ihre Stimme war mir wohlbekannt. Sie war 
zart und schwebend und hatte den Wohllaut des Windes, 
wenn er über blühende Lupinenwiesen fliegt. Ich hörte 
mit geschlossenen Augen zu, wenn sie unten sang: alte fran 
zösische Liebeslieder, traurig und süß. 
Ihre Mutter sah ich mehrmals: eine schöne weißhaarige 
Dame in schwarzer Seide. 
Als man den blumenüberschwankten Sarg aus der Tür 
hob, hatte ich sie Vergebens unter den Leidtragenden ge-
	        
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