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Sälen vielleicht anderthalb hundert Bilder. Die Farben drän
gen auf mich ein. Ihre Sonnen blenden mich. Unwahrschein
lich grell und gelb leuchten die Sonnenblumen. Ueber der
heißen und hellen Landschaft Arles’ ist ein fast samtener,
tiefblauer Himmel gespannt. Jedes Ding auf diesen Bil
dern strahlt in Farben von unerhörter Reinheit. Man fühlt
die Unersättlichkeit des bisher so monotonen Holländers,
der sich in einer kleinen Skala brauner Töne fast erschöpfte,
und an dem in Arles mit einmal das Wunder der leuchtenden
Landschaft geschah. Und man fühlt auch die Angst, nicht
fertig zu sein mit all den glühenden Farben, wenn der
Tod kommt, der immer dichter den unermüdlichen umschlich.
Es entstand in diesen drei Jahren in Arles und Auvers Bild
auf Bild eins nach dem anderen, (jedes wie eine Flamme einen
exstatischen Herzschlag des Malers kündend. Kein einmal
Aufatmen scheint zwischen diesen Bildern zu liegen. Sie
sind wie ein einziges atemloses Gedicht. Jedes ein geller,
erschütternder Schrei aus Einsamkeit und Kampf. — Aber
mitten darunter auf einem fast goldgelben Grund die Arle-
sienne mit ihrem heiligen, leidvollen Gesicht in erhabener
Ruhe, ein Augenblick des Anhaltens im Kampf mit den Din
gen, ihnen alles zu entreißen, ein Augenblick der Versenkung
und des Gebetes. —
Hede von Trapp stellt Grajphik und Tuschzeich
nungen im „Salon Neuner“ aus. Eine Künstlerin von un
erhört kultivierter Sensibilität, die auf der Grenze von Natur
und Ornament kleine Blätter von der unwahrscheinlichen
Zartheit der Orchideen schafft. Sie liebt die Orchideen,
zeichnet und radiert sie in immer neuen Variationen. Ihren
farbigen Blättern gab sie die Töne dieser abenteuerlichen
Blumen, deren schweres betäubendes Gift ihre stärksten
Zeichnungen atmen ; ein Gift, das schon Beardsley kannte, und
das auch die gesteigertste Geste nicht über eine ästhetische
Pose hinauswachsen läßt. Eine Kunst, die nicht die Kraft
zur Extase hat, sondern in einer fast trainierten Hysterie
pretiös verzückt, die mit jedem Nerv nur noch genießen will,
die einen Tag sinnberückend blüht — und welkt.
Marc Chagall zeigt seine Bilder in den Ausstellungs
räumen des „Sturm“. Auf sehr großen Leinwänden sieht
man exstatische Verzerrungen und naiv-groteske Erhebungen.
Sein Kubismus ist nicht mehr Theorie und Experiment,
sondern das diesem Künstler notwendige Ausdrucksmittel.
Von allen Seiten drängen spitze, eckige Formen in sein Ge-