23 - 5*- 17
NEUE JUOEND
== 3
phantastischeVerssnob, der Menschrnichts, sie haben keine Sehnsucht
des Morphins, der bewusst Unnüch
terne, der Verpester der gleichgül
tigen Augenblicke. DerneueMensch,
der das Gewicht seiner Persönlich
keit hat, hasst den Klamauk, den
unnützen Lärm, das Plärren um des
Plärrens willen, alle Faxen erogen
excitierter Jugendlichkeit; denn er
weiss zu gut, was die Zeit von ihm
will — sie will das Männliche und
Tüchtige, die Einfachheit, die So
lidität.
Simplizität führt viel schneller
zum Ziel als eine Verrenkung irgend
welcher Art und der Eingeweihte
bekommt einen scharfen Blick für
gestellte Wunderlichkeiten und jong
lierte Phantastik; und dies vor allem,
es wird ihm zur Pflicht, der neue
Mensch macht es sich zur Pflicht:
alle Umwege der Artistik versperrt
man sich selbst aus angeborenem
Ordnungsgefühl und innerer Reinlich
keit. „Träge“ nennt der neue Mensch
deshalb alle diejenigen, die unwahr,
darum umwegig, harzeliert und ver
schwommen sind.
IV.
Es bleibt das punktum maximum
und die Frage aller Fragen. Was
ist Demut? Waren die demütig, die
die Menschen in naiven und guten
Stunden verehren, Christus, Göthe,
Dostojewski,? Der neue Mensch
schickt sich an, zu antworten: De
mütig sind alle ui©, uie an den S.nn
der kleinsten Dinge glauben und des
halb einegrosseRuhe und gesicherte
Erwartung in ihrem Herzen tragen.
Das langsame Wachsen der se-
lischen Erregung vergleicht der neue
Menschden natürlichen Dingen allein.
Er richtet seinenBlickaufdiePflanzen,
die an seinem Fusse blühen und er
beobachtet die Organismen, die er
mit seinem Stiefel zu zertreten sich
hüten muss. Ein Gewitter schwillt
an, Wolken sammeln sich über der
Stadt, brüllend folgt nun die Deto
nation. Ein Berg steht auf, dein er
staunter Blick hängt an ungeheuerer
Schattenwand und eine rote Sonne
füllet die Welt gieichmässig mit ihrer
Wärme. Das Mannigfaltige aller Be
wegungen, den Sturm und die Ruhe
der grossen Formen, das auf und
ab, das hin und wieder, Ebbe und
Flut, das Kreisen der Monde —alles
umfasst der neue Mensch mit seiner
Seele, die an den Dingen wächst.
Der neue Mensch fühlt seine Demut
in der Kenntnis der Dinge. Er weiss
das Leben der Protozoen und er
kennt das Wachstum der lebenden
Substanz bis zu den Gehirnbahnen
des Menschen — o — er hat sich
vertieft in die barocke Wunderlich
keit ältester Gesteinsformationen und
der Dom von Toledo zählt zu seinen
intimsten Freunden und Gesprächs
genossen. Der neue Mensch sagt:
DieModernen wissenvon den Dingen
nach der Rundung der Gegenstände,
die Sinnlichkeit der Formen rührt
ihre Netzhaut nicht, am trägsten aber
sind die Dichter. Mit Versen lässt
sich keine Welt erobern. Die Mo
dernen wissen nicht,dass einTropfen
Wasser den Extrakt aller Dramen
Shakespeares enthält, sie wissen
nicht, dass der Blick auf ein eng
begrenztes Stück Wiese eine Tiefe
des Himmels entschleiern kann. De
mut ist meine Kenntnis aller Formen
und mein Glaube an ihre Göttlich
keit — wie kann man, frage ich, ab
strakt sein, malen, schreiben, bild-
hauern, wenn man nicht Dinge hat,
von denen sich abstrahieren Hesse“.
Der neue Mensch verwandelt
die Polyhysierie der Zeit in ein
ehrliches Wissen um alle Dinge und
eine gesunde Sinnlichkeit. Der neue
Mensch zieht es vor, ein guter Aka
demiker zu sein, wenn er die Mög
lichkeit hat, ein schlechter Revolu
tionär zu werden. Jenes antike
Mädchen bleibt Vorbild wenn sie
sagt: Nicht mitzuhassen, mitzu
lieben bin ich da. Alle Problematik,
jeder Satz, jede These kann und darf
nurlnterpretationdieserSentenzsein.
V.
Der neue Mensch hält folgende
Rede an seine Jünger und Zuhörer:
Suchet euch einen Mittelpunkt für
euer Leben und beginnet wieder an
diegrossen Eigenschaften der Heiden
zu glauben. Wo ist euer Plutarch,
aus dem ihr lernen könnt, was es
heisst für geistige Dinge zu sterben ?
Warum rührt es Euch nichtzuTränen,
wenn ihr von den Märtyrern lest, die
sich für ihre Ueberzeugung rädern
Hessen — warum habt ihr keinen
Begriff von der Schönheit und dem
Mut einer Jeanne d’Arc, warum fallt
ihr nicht auf dem belebten Platz auf
die Knie wie Raskolnikow und schreit:
Herr, Herr, schaue auf mich herab,
ich bin ein sündiger Mensch. Ihr
habt kein Verhältnis zu den Dingen,
ihr seht über die kleinen Dinge hin
weg zu grossen fiktiven Bergen —
ihr sucht den Heiland in aller Welt
und denkt nicht an euer Herz, das
in ängstlicher Brust der Erlösung
entgegenschlägt. Warum denkt ihr
nicht an den Tod — jenen grossen
allmächtigen Tod, den Tod der spa
nischen Stierarena, den Tod der
antiken Relieffe, denTod derCholera
und Beulenpest — warum denkt ihr
nicht an ihn, der die Glieder ausein-
anderreisst und die Familienmit
glieder in Mordsucht aufeinander
hetzt? Warum denkt ihr an nichts,
was die Welt gross und furchtbar
macht? Wie? Seid ihr nicht klüger
als der kleinste Medizinstudent und
naturwissenschaftliche Figurant, der
eine physiologische Angelegenheit
aus dem Leben der heiligen Mutter
macht? Der neue Mensch weiss
den Tod zu fürchten um des ewigen
Lebens willen; denn er will seiner
Geistigkeit ein Monument setzen,
er hat Ehre im Leib, er denkt edeler
als ihr. Er denkt: Malo libertatem
quam otium servitium. Er denkt:
alles soll leben — aber eins muss
aufhören — der Bürger, der Dick
sack, der Fresshans, das Mast
schwein der Geistigkeit, derTürhüter
aller Jämmerlichkeiten.
R. Huelsenbeck-Verlag, Berlin
Luisenstr. 25 I. Telef. Norden 6492
Vertreter
für Holland und Skandinavien gesucht.
a
IM JUNI erscheint die Kleine
Kleine GROSZ Mappe
Kleine GROSZ Mappe
Kleine GROSZ Mappe
t
Die Mappe enthalt
Hundert nummerierte Exemplare 6 25 Mark, dergleichen fünfzehn auf
Kaiserlich Japan, vom Zeichner signiert, a_35_Mark_. Die Exemplare Nr. 1-5 je
52J¥!LL^.l. B8i Subskription ermässigt sich der Preis jeder Mappe um 10 Mark.
Schluss der Subskriptionsliste 10. juni 1917.
DER MAL IK — VERLAG,
BERLIN-HALENSEE, KURFÜRSTENDAMM 76
2.0. Juni 1917
KINO
VIII,
VORTRAGSABEND
für
DEKORATEURE
OPERATEURS
REGISSEURE
KRITIKER
Die
veranstaltet Mitte nächsten Monat einen
Propaganda- Ülftl
für MfehlllllllS fachleute
Gäste haben nur nach vorher-
gehender persönlicher
Einladung Zutritt
7?
6
o
n
n
i
e
r
e
n
GESPRÄCH: Der Herr zu dem Mädchen:
Tanze Leilah, tanze — Salome Du, um ein
halbes Königreich tanze.
Und das Mädchen:
Es ist kein Jochanaan da, um dessen Haupt
zu tanzen sich lohnte.
Der Herr zu dem Mädchen:
Tanze Leilah, tanze, Ich — biete mein —
eigenes haupt
Und das Mädchen:
Pardon, Prinz, Ihr seid bereits kopflos.
Später stammelt der Herr:
Du bist bleich und dunkel, müde und schwer,
man sollte Dich kühlen in seidene Schleier, Dich
kühlen in seidene Schleier, Dich schmücken
mit kalten Edelsteinen. Du bist wie Blumen,
matt wie betäubenden Dufts — wie Trauer
musik alle Sinne einschläfernd. Du bist wie
ein tiefer schwerer Traum, in den man wehr
los und hilflos hineinsinkt. Unsere Wünsche
sind Vögel, die Dich gierig umflattern. Schlange
mit den grüngoldenen Augen, Du hast sie alle
verzaubert, dass sie sterben müssen vor Deinem
Blick — oh ......
Ußonnementöemfabuna.
fe abonnieren
tu „OXeue Jugend“!
Vierte(jäf)rfi0 3 33t,
der 331 atit'Vertag, Vertixi'&alenfee, JZurfürftenbamm 76‘