Volltext: Schutzhaft : Erlebnisse vom 7.-20. März 1919 bei den Berliner Ordnungstruppen (2)

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Mißhandelte sich zu uns gesellen wollte, erhielt er noch einen 
derartigen Kolbenstoß ins Rückgrat, daß er fast fiel und seinen 
Hut verlor, den er nicht wieder aufzuheben wagte; später 
wurde er ihm nachgeworfen. 
Die Herren Michalski, Dr. Duncker und Dr. Alexander 
wurden später bei dem Kommandanten vorstellig. Ich ver 
mute, daß sie gegen diese Behandlungsweise protestierten, weiß 
natürlich nicht, was geantwortet wurde, der Erfolg war jeden 
falls negativ, denn immer wieder drängten sich einige der 
Regierungssoldaten an uns heran und stießen mit Fäusten, 
Füßen und Gewehrkolben die hilflosen Verhafteten, vorzugs 
weise die „Lichtenberger“. Zwar befahl ihnen ein Feldwebel 
von Zeit zu Zeit wegzugehen, aber derart sanft, daß es die 
Soldaten natürlich nicht länger als fünf Minuten befolgten. 
Schließlich, gegen l / 2 6 Uhr marschierten wir ab; kurz vor dem 
Abmarsch aber hatte man noch einige von den Verhafteten 
heraustreten lassen, u. a. einen Herrn Z., einen Herrn W. und 
einen Herrn F., alle aus Neukölln. Kaum, daß sich hinter uns 
die Gefängnistüren geschlossen, vernahmen wir sechs bis sieben 
Schüsse. Uns alle erfüllte der schreckliche Verdacht, die Zurück 
gebliebenen seien erschossen worden. Später sahen wir sie aber 
in Plötzensee wieder; sie erzählten, nur einer von ihnen sei er 
schossen worden, angeblich, weil er sich gewehrt habe. Nähere 
Angaben über diese Sache dürften leicht von den Augenzeugen 
zu ermitteln sein. 
Wir marschierten nun nach Plötzensee, vor und hinter 
uns Autos mit Maschinengewehren, desgleichen links und 
rechts. Patrouillen säuberten die Straßen vor uns vom Ver 
kehr, schossen bisweilen ISchreckschüsse ab, um Neugierige 
zu verscheuchen. Unterwegs beobachtete ich, wie der Transport- 
führer (wieder ein ganz junger Leutnant) die Truppen, die uns 
zu beiden Seiten marschierten, auf Einzelne unter uns, u. a. auf 
einen Herrn S. aufmerksam machte, dessen Verhaftung ich kurz 
nach seinen Angaben skizzieren will, da spätere Ereignisse mich 
noch mehr mit ihm befassen ließen. Herr S. ist Kellner, war frühei 
auf Überseedampfern tätig, leidet zur Zeit an Lungentuberkulose, 
so daß er seit längerer Zeit das Bett hütete. Plötzlich erschien ein 
Feldwebel£mit Regierungssoldaten in seiner Wohnung, forderte 
ihn auf, aus dem Bett aufzustehen, kommandierte „Hände hoch“ 
und drohte, zwei Revolverläufe auf ihn richtend, ihn zu er 
schießen, sobald er spräche oder die Hände sinken lasse. So 
vvurde er in den Hof geführt, wo er immer noch die Hände 
hochhalten mußte. Seine Frau brachte ihm rasch eine Joppe 
und einen Gummimantel nach, den Hut vergaß sie und konnte
	        
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