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Mißhandelte sich zu uns gesellen wollte, erhielt er noch einen
derartigen Kolbenstoß ins Rückgrat, daß er fast fiel und seinen
Hut verlor, den er nicht wieder aufzuheben wagte; später
wurde er ihm nachgeworfen.
Die Herren Michalski, Dr. Duncker und Dr. Alexander
wurden später bei dem Kommandanten vorstellig. Ich ver
mute, daß sie gegen diese Behandlungsweise protestierten, weiß
natürlich nicht, was geantwortet wurde, der Erfolg war jeden
falls negativ, denn immer wieder drängten sich einige der
Regierungssoldaten an uns heran und stießen mit Fäusten,
Füßen und Gewehrkolben die hilflosen Verhafteten, vorzugs
weise die „Lichtenberger“. Zwar befahl ihnen ein Feldwebel
von Zeit zu Zeit wegzugehen, aber derart sanft, daß es die
Soldaten natürlich nicht länger als fünf Minuten befolgten.
Schließlich, gegen l / 2 6 Uhr marschierten wir ab; kurz vor dem
Abmarsch aber hatte man noch einige von den Verhafteten
heraustreten lassen, u. a. einen Herrn Z., einen Herrn W. und
einen Herrn F., alle aus Neukölln. Kaum, daß sich hinter uns
die Gefängnistüren geschlossen, vernahmen wir sechs bis sieben
Schüsse. Uns alle erfüllte der schreckliche Verdacht, die Zurück
gebliebenen seien erschossen worden. Später sahen wir sie aber
in Plötzensee wieder; sie erzählten, nur einer von ihnen sei er
schossen worden, angeblich, weil er sich gewehrt habe. Nähere
Angaben über diese Sache dürften leicht von den Augenzeugen
zu ermitteln sein.
Wir marschierten nun nach Plötzensee, vor und hinter
uns Autos mit Maschinengewehren, desgleichen links und
rechts. Patrouillen säuberten die Straßen vor uns vom Ver
kehr, schossen bisweilen ISchreckschüsse ab, um Neugierige
zu verscheuchen. Unterwegs beobachtete ich, wie der Transport-
führer (wieder ein ganz junger Leutnant) die Truppen, die uns
zu beiden Seiten marschierten, auf Einzelne unter uns, u. a. auf
einen Herrn S. aufmerksam machte, dessen Verhaftung ich kurz
nach seinen Angaben skizzieren will, da spätere Ereignisse mich
noch mehr mit ihm befassen ließen. Herr S. ist Kellner, war frühei
auf Überseedampfern tätig, leidet zur Zeit an Lungentuberkulose,
so daß er seit längerer Zeit das Bett hütete. Plötzlich erschien ein
Feldwebel£mit Regierungssoldaten in seiner Wohnung, forderte
ihn auf, aus dem Bett aufzustehen, kommandierte „Hände hoch“
und drohte, zwei Revolverläufe auf ihn richtend, ihn zu er
schießen, sobald er spräche oder die Hände sinken lasse. So
vvurde er in den Hof geführt, wo er immer noch die Hände
hochhalten mußte. Seine Frau brachte ihm rasch eine Joppe
und einen Gummimantel nach, den Hut vergaß sie und konnte