•jr"
1.
Von Berlin bis Oberbayern
Soll’n wir ’n ersten Mai jetzt feiern
Jleich befiehlt die Reichsregierung:
Arbeitslosen-Dezimierung!
Todesmutig, Mann für Mann
Rückt das Freikorps Lüttwitz an.
Der Erfolg is janz enorm,
Stike! Mensch — Sozialreform!
Hurra jroßer Sieg errungen
Proletarier bezwungen,
Jeder, der nach Essen lungert
Oberschlesien ausgehungert
Strenge Zucht und gute Kost
Melder Euch beim Grenzschutz Ost.
Der Erfolg is janz enorm
Stike! Mensch — Sozialreform!
3.
Und so wächst sozial und schnieke
Man sich aus zur Republike
Läßt am ersten Mai verkünd’gen:
Jahrestag der Schlacht bei München
Ding wird eben umbenannt
Kleinigkeit für ’n Leutenant
Der Erfolg is janz enorm
Stike! Mensch — Sozialreform!
4.
Freikorps Dohna, Freikorps Hülsen
Und am Ende kommt der Wilson
Jeder wäscht sich rein vom Blute
Trieft nur noch von Edelmute
Und nach altem deutschen Brauch
Kriecht Germania auf dem Bauch
Ja die Pleite is enorm
Stike! Mensch — Sozialreform!
und zwar mit Musik. Auch in Braunschweig
ist sie einmarschiert, da hat man sie sogar
mit Blumeu überschüttet. Eisen an den Ab
sätzen, Blech am Kragen, verschobene Lebens
mittel im Bauch, marschiert sie. Mit und
ohne Tritt. Unentwegt durch Rebellenblut —
und Äpfel der Leutnants-Stute. Gegen bayer
ische Polen, Berliner Russen. Die Sozialisie
rung marschiert aber nicht allein; Dienst
mädchen, feinste Damen, Lehrerinnen, Kinder,
Greise, Gymnasiasten: alle marschieren be
geistert ihr zur Seite, — ganz wie anno 14.
Aus allen Fenstern winken die Bewohner (zum
Teil noch im Nachthemde), glotzen ihr nach,
feuchten Auges und stolz zugleich. O, die
Sozialisierung ist eine der wenigen Errungen
schaften der vorjährigen Revolution, die — weil
sie marschieren kann — den gebildeten Schich
ten kein Dorn im Auge ist.
Sie kostet zwar massig Geld. Darum
meinte Ebert auch: „Immer langsam“. Aber
Noske schlug auf den Tisch: „Zum Donner-
Zentralorgan
der kommunisi.schan Part»! Deutsch-Österreichs
2 mal wöchentlich Monatlich 1,90 Kronen
Administration: Wien IX, Pulverturmgasse 7.
Prepapaflastelle lür Wellkommnnismus
Geschäftsstelle z. H. A. Seehof
Kassel, Wörthstraße 23,1.
wetter, meine Herren, was sein muß, muß
sein!“ „Natürlich — sagte Scheidemann —
so pleite oder so pleite.“
Neuerdings haben auch die Studenten,
denen es nicht vergönnt war, auf dem Felde
der Ehre zu fallen, sich der Sozialisierung
geschlossen zur Verfügung gestellt. Werden
auch infolgedessen wahrscheinlich Trinksucht,
Syphilis, das Nicht-bezahlen von Schulden
und der Kretinismus sozialisiert (d. h. all
gemeines Volksgut), so können wir das ruhig
in Kauf nehmen, nämlich deswegen weil
andererseits die hochdeutsche Aussprache,
sämtliche Goethe - Forschungen, U - Boots
kalender und antibolschewistischen Geheim
wissenschaften dem Volksvermögen zugute
kommen. Überdies lassen sich leerstehende
Universitäten zu Werbe- und Sozialisierungs
büros, zu Offizierslazaretten, Munitionslagern,
Reservegefängnissen und akademischen Mai
feier-Baulichkeiten verwandeln.
Die Marsch-Erfolge der Sozialisierung sind
glänzend — (übertreffen fast 14/15). Ganz
Deutschland ist soweit schon „fast soziali
siert“. Dafür sorgt die Bclagerungszustands-
methode. Nämlich, was sich auf diese Weise
nicht im Marschtempo sozialisieren läßt, —
na, das wandert eben ins Gefängnis, ver
hungert, wird an die Wand gestellt oder
sonstwie ausgerottet. Daher ginge der
Sozialisierung allmählich die Arbeit aus,
wenn nicht unsere Generäle sie zu Reklame
zwecken, Ebert’s oder Ludendorff’s Geburts
tag, am 1. Mai oder an ähnlichen sozialisti
schen Jubeltagen zum Parademarsch kom
mandierten.
Lediglich in Bayern und — in den Fach
schulen für Spitzel und Reporter sind die
Arbeiten der Sozialisierung noch nicht ganz ab
geschlossen. Zwar sucht man, seitdem die
Ruhrstreiks der Sozialisierung erlegen sind,
in ganz Norddeutschland mit Eifer und Hin
gebung geeignete Objekte — für, gegen,
auf, über, durch die man die Sozialisierung
marschieren lassen könnte; es finden sich
bloß keine mehr. Ihre Erfolge sind ja auch
allzugewaltig: Stumpfsinn, Schwindsucht, Ver
logenheit, Schiebung, Niedertracht alles, alles:
Proletarier-, Revolutionärs- und Säuglings
sterblichkeit, Proteste an die Kulturmensch
heit, Osterbotschaften und Justizmorde sind
bereits deutsches Nationalgut geworden.
Neuerdings zieht man aufs Ernsthafteste die
Sozialisierung des Selbstmords in Erwägung —
sollte es gelingen, sie zu verwirklichen, so
wäre das Problem der Sozialisierung endgültig,
einfürallemal gelöst: alles wäre tot — bis auf
die marschierende Sozialisierung, in die man
tunlichst eintritt, wenn man nicht auf diese
oder jene Weise krepieren will. Daß
sich der Geist der Toten zuguterletzt an der
Weimarer Sozialisierungs - Methode rächen
könnte, ist eine lächerliche Behauptung solcher
bezahlter ausländischer Hetzer, die in Deutsch
land einen Geist entdeckt haben wollen, der
*rcht mitmarschiert.