Sapristi hier muss die Prozedur ein wenig erweitert werden. (Kleines Bild: leichte
Kraneot’omie!) Nun: alle Stilisten sind nicht einmal Esel. Denn Stil ist nur eine
Verlegenheitsgeste wildester Struktur. Und da Verlegenheit (nach kurzer Beschlafung)
sich als perfekteste Reue über sich selber entachait, ist merkbar, dass die Stilisten aus
Besorgnis, für Esel gehalten zu werden, sich um vieles schlechter als diese benehmen.
(Esel haben nämlich zwei weitaus überragende Eigenschaften : sie sind störrisch und
faul.) Der Unterschied zwischen Paul Oskar Hoeker, Dostojewskiy, Roda-Roda und
Wedekind blaut daher lediglich in der Contenance innerhalb der besagten Verlegen
heitsgeste. Ob einer in richtig funktionierenden Trochäen oder sonstwie bilderstrotzend
(alle Bilder sind plausibel!) oder sozusagen naturalistisch mir vorsäuselt, dass ihm
übel war, und, seit er es schwarz auf weiss hat, besser wurde, oder, dass ihm zwar
wohl war (schau, schau 1), aber übel wurde, als er das nicht mehr begriff (teremtete!):
es ist immer dieselbe untereselhafte Anstrengung, aus der Verlegenheit sich ziehen zu
wollen, indem man sie (stilisierend, ogottogotto) — gestaltet. Grässliches Wort! Das
heisst: aus dem Leben, das unwahrscheinlich ist bis in die Fingerspitzen, etwas Wahr
scheinliches machen! Ueber dieses Chaos von Dreck und Rätsel einen erlösenden
Himmel stülpen! Den Menschenmist ordnend durchduften! Ich danke! . . . Gibt es
ein idiotischeres Bild als einen (puh!) genial stilisierenden Kopf, der bei dieser Be
schäftigung mit sich selbst kokettiert? (Nur nebenbei: 10 centimes dem Kühnen, der
mir nachweist, dass das Kokettieren bei Ethbolden nicht stattfindet!) 0 über die so
überheitere Verlegenheit, die mit einer Verbeugung vor sich selber endet! Deshalb
(dieser stilisierten Krümmnng wegen) werden Philosophien und Romane erschwitzt,
Bilder geschmiert, Plastiken gebosselt, Symphonien hervorgeächzt und Religionen ge
startet. Welch ein erschütternder Ehrgeiz, zumal diese eitlen Eseleien durchwegs gründ
lich (sc. besonders in deutschen Gauen) missglückt sind. Alles Unfug!
7.
Die schönste Landschaft, die ich kenne, ist das Café Barratte bei den Pariser Hallen.
Aus zwei Gründen. Ich machte daselbst die Bekanntschaft Germaines, die u. a. zischte :
„Cest possible que je serais bonne, si je saurais pourquoi". Hämisch gestehe ich es
ein: ich erblasste vor Freude. Und dann hat in diesem freundlichen Lokal Jean Kar-
topaïtès, der sonst nur mit Herren ohne Stehkragen sich einliess, den Verkehr mit mir
brüsk abgebrochen, weil ich so unvorsichtig war, den Namen Picasso fallen zu lassen.
8.
Ach die lieben weissen Porzellanteller! Denn . . . Nun denn: ehemals wollte man,
was man nicht aussprechen zu können vorgab, also gar nicht hatte, malerisch vermitteln
(juchhu ! Als ob man auch nur eine Vizekönigin fein säuberlich abkonterfeien könnte,
wenn man nicht wüsste, dass sie kein Fauteuil ist. Siehe Hängematte 1) Wohin diese
Sudelburschen geraten würden, wenn sie aufhörten, Oelphotos zu wichsen, war somit
längst vorabzulächeln. (Hinter die Ohren: mehr Mädchen, bitte, mehr Mädchen 1) Aber
die Impressionen! Nun, was ist erreicht, wenn man nach heftigem Blinzeln sich zu
rechtbauen kann, dass jener Kartoffelvertilger auch nur eine Kühe ersah, aber erst so
sich vorzublähen vermochte, dass es seine Kühe gewesen sei, eine ganz besondere
Kühe, kurz: die Kuh und erlösend? (teremtete!) Aber die Expressionen 1 Haho: was
ist erreicht, wenn man gefixt sieht, was ein Adjektiv leistet, und, da es auch diesem
bisher missglückt ist, orientierend zu wirken, also noch ungemalt schon missglückt
wäre? Aber die Cubisten, die Futuristen! Hoppla: die Champions dieser geradezu
ultraviolett missglückten Pinselritte Hessen zwar ausblasen, sie würden die (puh!)
liberatio gleichsam von der hohen Stilschaukel herab landen (Trapezritt! Trapezritt!
Etwa so: ,Wir werden diese Verlegenheit schon schaukeln! 4 ), erreichten aber nicht
nur, dass nicht einmal ein Chignon ins Schaukeln geriet, sondern vielmehr gerade die
wildesten Esel in geregeltem Trapp arrivierten (O wurfbesprungener Sagot! etc. pp. pp.)
Unfug! Unfug!
9.
Das unter 8 im Grunde bereits für schlecht Erwachsene geredet: Fibelhaftes, ausser
ordentlich Fibelhaftes! Immerhin noch zur Vorsicht zu notieren, meine Kleinen:
a. Plastik: sehr unhantliches Spielzeug, verschärft durch metaphysischen Augen
aufschlag.
b. Musike: Pantopon- oder Sexualersatz. (Längst unterfibelhaft!)
c. Lyrik: ein Knabe befindet sich in der Klemme. Rezept: frage ihn, von welcher
er träumt, und du kannst ihm sagen, mit welcher er nicht geschlafen hat. (Selbst
verständlich befindet man sich stets in der Klemme; in der c-Klemme aber hat
man sich denn doch nicht mehr zu befinden !)
d. Roman und so: die Herren reden wie am Spiess oder neuerdings überhaupt
nicht mehr. Noch ein wenig Schweiss und die Sache glückt: Belletristik' (Am
Spiess befindet man. sich gar oft. Aber ein Samuel Fischer-Band ist ein zu zeit
raubendes Mittel, die Luftlinie Syrakus-Butterbrot-Zentralheizung herzustellen.)
In summa, meine Kleinen: die Kunst war eine Kinderkrankheit,