Volltext: Der Marstall : Zeit- und Streit-Schrift des Verlages Paul Steegemann (1/2)

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Graphische, politische Werke treten noch innerhalb der „Silbergäule“ ergänzend 
neben die literarischen. Gleiches Welterleben offenbart sich. In der Graphik 
durch die Macht der Linie und Fläche: Bernhard Dörries Steinzeichnungen 
„Mittelalter“ sind voll Religiosität, in Max Burchartz Steinzeichnungen zu 
Dostojewskis Roman „Dämonen“ hebt sich das seelische Chaos der Zeit 
grauenvoll auf, in den Merzzeichnungen „die Kathedrale“ von Kurt 
Schwitters gibt sich wieder jen'e Anna Blume-Humbug-Stimmung kund, für 
mich persönlich freilich in einer Sphäre, in die ich nicht nachzufolgen vermag. 
Politisch enthüllt die Gruppe der „Silbergäule“ ihr Weltgefühl durch den 
Kommunismus, mit dem ich mich hier nicht auseinandersetzen kann. Es fällt 
auch hier der Widerspruch auf zwischen der reinen Idealität der kommunistischen 
Weltanschauung und der kasernenmäßigen Unfreiheit ihrer Verwirklichung: 
meine Überzeugung ist, daß aller real durchgeführter Kommunismus in Zer 
störung aller menschlichen Entwicklungsfähigkeit ausläuft. Der Kommunismus 
bleibt ewig eine Ideologie. Heinrich Vogelers (Worpswede) vier warm und 
klar geschriebene Hefte „Expressionismus der Liebe“, „das neue Leben 
(ein kommunistisches Manifest), „Proletkult“ (Kunst und Literatur der 
kommunistischen Gesellschaft) und „SiedlungswesenundArbeitsschule“ 
enthüllen schlagend den Zwiespalt zwischen dem Idealismus einer schönen 
Menschlichkeit, ihrer Verwirklichung in einer kommunistischen Siedlung, zu 
der die Voraussetzung ist, daß alle Menschen von gleicher Seelenreinheit 
wie Vogeler wären. Auf marxistischer Grundlage legt der Bremer Ludwig 
Bäumer „das Wesen des Kommunismus“ dar, und Kurt Hiller setzt 
sich scharfsinnig mit „Gustav Wynekens Erziehungslehre und dem 
Aktivismus“ zugunsten Wynekens auseinander. 
Die Lektüre der „Silbergäule“ macht froh bewegt. Hier lebt Jugend einer 
starken, edlen Sittlichkeit. Hoffnungen umfangreicher Art werden erweckt. 
Bleiben die Geister ihrem Welterleben treu, tragen sie das Entscheidende zur 
Erneuerung der Menschheit herbei. Nicht zerstörerisch wirken sie, sondern 
aufbauend wie nur je menschliche Tat. Die Flöte, August 1920. 
DAS ANTIQUARIAT HEINZ LAFAIRE IN HANNOVER 
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