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trächtig, so jonglieren sie mit dem Intellekt. Und eine hämische
Befriedigung, die nicht ihresgleichen hat, überrieselt sie, wenn
es ihnen gelingt, dem andern keinen Anhaltspunkt zu geben oder
ihn zu nasführen, denn es ist ihnen Menschenwürde und Meister
schaft zu tun, als wüssten nur sie allein, worum es geht, als
stünden sie fest und hätten einen Punkt. Und fühlen doch auch,
wenngleich in Tagen nur oder Sekunden, dass sie Stückwerk
sind und schuldbeladen und verzweifelt und tiefinnen voll einer
seltsamen Furcht. Aber sie übergaukeln dieses bohrende Fühlen,
sich selbst und vor den anderen und die andern tun ebenso. Und
so lauern sie einander in die Gesichter, peitschen ihre gestellten
Masken von Stufe zu Stufe, um gelb vor ihrem Tiertum einhalten
zu müssen oder mit höhnender Hand ihre Glätte zu servieren und
ihre feste Haltung, wenn ihnen der böse Triumph ihres ohn
mächtigen Spiels misslang.
Auch die es erkannten, vermögen nicht, es aufzugeben. Denn
es ist übermenschlich. Und wenn auch ein Gesicht nicht lächelt,
wenn es lächelt und wenn es trauert, nicht trauert, so lächelt
und trauert es doch und noch der Schmerz dieser Schwäche, der
Verwirrung schaffen muss, hat seine Mimik und schliesst den
Zirkel. So schiebt zwischen Menschen, die sittliches Erkennen
erhob, die Ohnmacht immer wieder ihr Spiel und je tiefer das
Erkennen war, desto grausamer wird das Spiel; denn für den
Guten beginnt das Böse dort schon, wo der Böse sich noch gut
glaubt und ein fast unmerkliches Kräuseln der Lippen, das über
einer Allzumenschlichkeit entsteht, ekelt ihn ebenso wie es den,
der es beging, mit Hass erfüllt. Und das Böse ist da und die
Schuld. Beide wollten es nicht und da sie es nicht ungeschehen
machen können, verstellen sie sich aus Verzweiflung. Es ist die
furchtbarste Verstellung, da sie das gross und ganz Erkannte ver
stellt und ist doch die menschlichste: sie schlagen sich vor die
Stirn und lachen, toben, schimpfen, schreien, werfen alles um,
Worte und Dinge, weinen und betteln und möchten ein Tier
töten oder einen Menschen oder den andern und wenn ihnen
Entsetzen in die Lunge bricht und die Brust zu zersprengen
droht, heucheln sie Irrsinn, grimassieren, tanzen und lallen. Und
niedergebrochen glotzen sie auf die zuckenden Hände und fühlen
brennend, dass die Last, mit der sie nun wieder ausgehen müssen,
sich zu finden, drückender geworden ist, dass es immer schwerer
wird und hoffnungsloser. Aber was über ihrem Ringen ersteht,
ist die Demut vor dem eigenen Menschsein und vor dem der
andern. Sie hoffen nicht mehr, ein Lächeln zu sehen. Hier ist
alle Sehnsucht zu Ende. Und nur aus jener Tiefe, in der, was
Geist ist, sich zum Glauben läuterte, steigen einsame heilige
Stunden, da nichts mehr Ausdruck wird oder Wollen und wie
nach innen gerissen sinkt es tief hinunter und zugleich weit hi